Profil-Magazine

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Nachrichtenmagazin "profil" in der Krise

Neuerfindung oder Untergang

Beim Nachrichtenmagazin "profil" rumort es. Christian Rainer hat die Chefredaktion nach 25 Jahren abgeben müssen, Nachfolgerin Anna Thalhammer steht ab März vor der großen Herausforderung, Reichweite und Relevanz wieder nach oben zu bringen.

Die Waldheim-Affäre, der Fall Groer, der AKH-Skandal. Drei "profil"-Recherchen, die Österreich verändert haben. Jahrzehntelang galt: was das "profil" berichtet, darüber redet das Land. Christoph Kotanko, der Ende der 1980-er Jahre beim "profil" gearbeitet hat, erinnert sich an eine Aufbruchstimmung. "Das "profil" hat damals seine Position als das Aufdecker-Magazins Österreichs ganz klar behauptet. Woche für Woche", sagt der Journalist, der jetzt für die "Oberösterreichischen Nachrichten" arbeitet. Viele Tageszeitungen hätten früher für die Montag-Ausgabe automatisch Platz für jene Geschichten reserviert, die das "profil" am Wochenende bringt.

Dieser Tage herrscht eher Katerstimmung. "profil" schreibt Verluste, die Auflage hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf rund 43.000 Stück mehr als halbiert. Die Abos gehen ebenso zurück, laut den aktuellsten Zahlen sind es derzeit rund 35.000. Und auch die Werbe-Einnahmen und öffentlichen Inserate sinken.

Leitmedium verlor Alleinstellungsmerkmal

Gegründet wurde das "profil" 1970 von Oscar Bronner. Die abnehmende Relevanz des Nachrichtenmagazins lässt sich auch an seiner Aussage erkennen. Bronner über seine Heft-Gründung: "Ich lese es oder ich blättere es selbstverständlich durch, muss aber zugeben, dass ich immer weniger Zeit damit verbringe." Dabei war investigative Recherche lange Zeit das Alleinstellungsmerkmal des "profil", so der Medienmacher. "Wir waren die einzigen, die sich getraut haben, unabhängig - wurscht ob nach links oder rechts - zu recherchieren und aufzudecken, was notwendig war."

Oscar Bronner

Oscar Bronner

ORF/ROSANNA ATZARA

Heute ist das anders. Immer mehr Medien recherchieren investigativ, auch Tageszeitungen, allen voran "Presse" und "Standard", aber auch die ORF-Information. Der "Standard" hat gerade erst eine vielversprechende Kooperation mit den Pulitzer-Preisträgern und Ibiza-Aufdeckern Bastian Obermayer und Frederik Obermaier angekündigt. Und gewaltige Konkurrenz kommt immer öfter auch von der Wiener Wochenzeitung "Falter", der das "profil" an Reichweite seit 2021 sogar überholt hat - mit derzeit 3,8 Prozent gegenüber 3,3 Prozent bundesweit. "Der "Falter" ist beim investigativen Journalismus mittlerweile voran", stellt Kotanko fest.

Verschlafene Jahrzehnte im Digitalen

Außerdem habe das "profil" die Digitalisierung völlig verschlafen. Während "Der Spiegel" in Deutschland schon seit 1994 im Netz präsent ist und sich heute zu den größten Online-Nachrichtenportalen zählen darf, ist das Internet beim "profil" lange nur stiefmütterlich behandelt worden. Verlorene Jahre, die schwer wieder einzuholen sind, meinen Fachleute.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

APA/KURIER/GILBERT NOVY

Generationswechsel von Rainer zu Thalhammer

Richten soll das jetzt die Neue. Mit Anna Thalhammer erlebt die "profil"-Chefredaktion einen Generationswechsel. Die 37-Jährige ist genauso alt wie Vorgänger Christian Rainer bei seinem Amtsantritt. Er verabschiedet sich nach einem Vierteljahrhundert. Thalhammer steht als erste Frau an der "profil"-Spitze unter besonders kritischer Beobachtung. Was die renommierte Journalistin genau vorhat, darüber weiß die Redaktion noch nichts Näheres. Gegenüber #doublecheck spricht Thalhammer von einem Prozess, der gemeinsam mit der Mannschaft aufgesetzt werden soll. Das "profil" soll in Zukunft mehr als nur ein Heft sein, sondern zu einen "zeitgemäßen Medienunternehmen" werden.
Konkretere Pläne will Thalhammer im Februar intern bei einem Hearing präsentieren, dann wird über die neue Chefredakteurin abgestimmt. Mit einer Dreiviertel-Mehrheit könnte sich die Redaktion auch gegen Thalhammer aussprechen, wozu es wahrscheinlich nicht kommen wird.

Zwei Jahre Zeit für den Turnaround

Für den Eigentümer Raiffeisen, dem die Mehrheit des "Kurier" gehört, drängt die Zeit jedenfalls. Thalhammer hat zwei Jahre Zeit - nicht als definitive Galgenfrist, aber um zu beweisen, dass zumindest die Richtung stimmt. Als ersten Schritt denkt Thalhammer nun über eine Paywall nach, also eine Bezahlschranke für profil.at, wie sie gegenüber #doublecheck sagt. "Die Presse" - wo Thalhammer bisher war - hat damit schon gute Erfahrungen gemacht.

Warnendes Beispiel: "Wienerin" eingestellt

Die Vorausetzungen am Markt sind denkbar schwierig. Ohne digitale Erlösmodelle wird es nicht gehen, sagt Matthias Karmasin, Medienprofessor an der Uni Klagenfurt. "Der Boom am Magazin-Markt, der durch viele Neugründungen befördert wurde, ist vorbei." Zu sehr hätten sich der Werbemarkt und das Mediennutzungsverhalten verändert. Die zuletzt exorbitant gestiegenen Papierpreise tun ihr Übriges. Ende des Vorjahres wurden die Frauen-Magazine "Wienerin" und "Diva" eingestellt, der Styria-Verlag fand keine Käufer. Das zeige die Dramatik, findet Karmasin.

Auf der Haben-Seite des "profil" stehe eine immer noch sehr renommierte Marke. Die wichtigste Aufgabe der neuen Chefredakteurin werde sein, das Vertrauen in eben diese Marke zu stärken, so Karmasin. "Die Nagelprobe dieser Dinge sind auch Berichte über den eigenen Konzern, über die eigene Mediengruppe. Wie weit hält man sich da zurück?"

Skepsis gegenüber "Küniglberg-Held" der ÖVP

In der "profil"-Redaktion ist die Stimmung jedenfalls nervös bis angespannt. Die Skepsis vor allem gegenüber Richard Grasl ist groß. Er ist seit dieser Woche "profil"-Geschäftsführer und ihm eilt ein Ruf voraus. Grasl gilt als ÖVP-Verbindungsmann. Der ehemalige ORF-Finanzchef wollte 2016 Generaldirektor werden, später wechselte er zum "Kurier". Chats zeigen, wie er einst für die ÖVP im ORF redaktionellen Einfluss ausübte. "Du bist unser Küniglberg-Held", lobte Thomas Schmid ihn damals. Eine gewagte Bestellung mitten in der Medien-Vertrauenskrise. Kommt jetzt der Durchgriff beim "profil"? Ex-Chefredakteur Herbert Lackner wiegelt ab. "Ich glaube nicht, dass man eine Zeitungsredaktion einfach umdrehen kann. Das würden sich die Leute nicht gefallen lassen, sondern würden dann halt weggehen und sich einen anderen Job suchen."

Die Redaktion pocht auf ihre Unabhängigkeit

Die Redaktion hat in ihrer ersten Erklärung betont, dass ihre journalistische Unabhängigkeit und das Redaktionsstatut unantastbar sind. Richard Grasl dürfe man aber nicht unterschätzen, sagt Journalist Kotanko: "Ich halte ihn nicht für einen türkisen Hallodri. Ich halte Richard Grasl für klug genug, dass er hier keinen Konflikt provoziert. Aber man muss schon wissen, dass Richard Grasl ein Macher ist, ein Antreiber, der sehr klar seine Ziele verfolgt."

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Rechtspopulismus-Expertin unfreiwillig freigestellt

Erste Personal-Entscheidungen haben schon für Wirbel gesorgt. Dem renommierten "profil"-Aufdecker Michael Nikbakhsh wurde parallel zur Berufung von Grasl die Kündigung in Aussicht gestellt, Nikbaksh machte sich daraufhin kurzerhand selbstständig. Um die Wogen zu glätten, soll Nikbakhsh jetzt eine Investigativ-Akademie für das "Kurier"-Medienhaus aufbauen, Details zu dieser Ankündigung fehlen aber noch. Weniger glimpflich ist die Sache für Christa Zöchling ausgegangen. Die angesehene Rechtspopulismus-Expertin wurde per Jahresende nach mehr als 30 Dienstjahren unfreiwillig freigestellt, nur wenige Monate vor der Pension und bei vollen Bezügen. Ein Statement.

Richard Grasl tanzt auf zwei Hochzeiten

Gleich zwei Jobs hat indes Richard Grasl. Er ist noch immer auch stellvertretender Chefredakteur beim "Kurier". Eine Doppelfunktion, die eigentlich als unvereinbar gilt. Oscar Bronner sieht aber auch einen Vorteil: "Ich glaube, das "profil" braucht jetzt einen Fulltime-Geschäftsführer, der die DNA des "profil" repräsentiert. Das sehe ich bei Grasl so nicht. Es kann aber sein, dass das Faktum, dass er sich nicht ganztägig dem "profil" widmen kann, dem "profil" auch wieder zugutekommt", so der Magazin- und Zeitungsgründer nicht unironisch.


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