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Podcasts
True Crime mit Happy End
Podcasts werden auch in Österreich immer beliebter. Was als kleine Medien-Nische begonnen hat, entwickelt sich immer mehr zu einem soliden Geschäftsbereich mit guter Nachfrage.
3. März 2023, 19:29
Die Zahlen sprechen für sich. Laut dem aktuellen Reuters Digital News Report hören 31 Prozent in Österreich zumindest monatlich Podcasts, bei den unter 30-Jährigen ist die Reichweite sogar doppelt so hoch. Andere Länder zeigen, dass da sogar noch Luft nach oben ist.
Podcasts passen einfach perfekt in unsere Zeit und Medienlogik, sagt Podcast-Unternehmer Stefan Lassnig. "Ich denke, das Besondere an Podcasts ist, dass sie ein On-Demand-Medium sind. Das heißt, Menschen können sie konsumieren, wann, wie und wo sie wollen. Das ist schon etwas, was so schnell nicht wieder verschwinden wird." Lassnig hat gerade die erste "Lange Nacht der Podcasts" in Wien veranstaltet. 12 Podcasts haben auf zwei Bühnen ihre Shows live aufgezeichnet, 200 Besucherinnen und Besucher sind gekommen. Die Nachfrage nach solchen Podcasts-Events ist groß. Die Hörerinnen und Hörer wollen ihre Stars, mit denen sie so viel Zeit im Ohr verbringen, live sehen und sind dafür bereit, Geld zu bezahlen.
Hunderte Podcast-Titel aus Österreich
Das Podcast-Angebot aus Österreich, meistens via Spotify, Google oder iTunes von Apple konsumiert, ist mittlerweile beachtlich. Mehr als 1.500 Podcasts zählt die österreichische Medienbeobachtungs-Agentur Meta Communication aktuell. Radiosendungen wie etwa #doublecheck, die auch als Podcast erscheinen, sind da nicht inkludiert. Vor allem während der Corona-Pandemie wurden viele neue Podcasts gestartet, dieser Boom sei mittlerweile aber wieder abgeebbt.
ORF/NADJA HAHN
True Crime speziell für Frauen der "Burner"
Besonders angesagt bleibt das Genre True Crime. Nach dem US-Mega-Podcast-Hit "Serial" haben Medien weltweit auf den Verbrechens-Hype gesetzt, auch in Österreich. Zuletzt haben die "Salzburger Nachrichten" und der "Falter" eigene True-Crime-Formate ins Leben gerufen. Bei der "Kleinen Zeitung" ist der True-Crime-Podcast "Delikt" über Verbrechen im Süden Österreichs der erfolgreichste. "Das ist unser Burner. Er funktioniert fantastisch. Menschen lieben True Crime", erzählt die Podcast-Chefin bei der "Kleinen", Barbara Haas.
MATTHÄUS PROSKAWETZ
Yvonne Widler
"Kurier" geht ungelösten Kriminalfällen nach
Der erste True-Crime-Podcast einer österreichischen Zeitung war aber jener vom "Kurier". Er heißt "Dunkle Spuren" und behandelt ungelöste Verbrechen - von jahrzehntealten Vermisstenfällen bis zum Mord im Prostitutions-Milieu. Die Geschichten sind packend erzählt und detailliert ausproduziert. Die ersten Folgen sind in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt entstanden, später wurde auf eigene Faust recherchiert - und das durchaus investigativ, wie Yvonne Widler, eine der vier "Kurier"-Redakteurinnen im "Dunkle-Spuren"-Team, erzählt. Durchschnittlich vier bis fünf Wochen arbeite sie an einem Fall. "Akten ausgraben, Leute finden, die mit uns sprechen, Fotos vergleichen – das sind aufwändige Recherchen", sagt Widler. Die Zeit brauche es allein, um Vertrauen zu den Angehörigen aufzubauen - ohne die man über die Fälle auch nicht berichten würde, denn ausschlachten wolle man die tragischen Schicksale nicht.
Bis zu 40.000 Downloads pro Folge verzeichnet "Dunkle Spuren". Zugriffe gibt es auch aus Deutschland und der Schweiz. True Crime kommt vor allem bei Frauen an. Bei "Dunkle Spuren" beträgt der Anteil der Hörerinnen 70 Prozent. Das weibliche Interesse erklärt sich Widler so: "Es geht ja nicht nur um True Crime, sondern um extrem spannende Lebensgeschichten. Wir wissen, dass sich Frauen gerne mit Menschen beschäftigen, auch wenn das jetzt natürlich ein Klischee ist. Aber die Zahlen spiegeln es wieder."
Podcast schafft Vertrautheit mit Publikum
Der erfolgreichste Podcast vom "Standard" ist das Nachrichten-Format "Thema des Tages". Die Podcast-Hosts Tobias Holub und Margit Ehrenhöfer befragen darin die Redakteurinnen und Redakteure der Zeitung jeden Abend zur wichtigsten Story. Aus Namen, die man in der Zeitung liest, werden auf einmal vertraute Stimmen, die direkt zu einem sprechen, sagt Zsolt Wilhelm, der die Podcast-Abteilung vom "Standard" aufgebaut hat. "Der Podcast gibt den Menschen in der Redaktion ein Gesicht." Das sei ein wichtiges Werkzeug, um das Publikum an die Zeitungsmarke zu binden. "Ein Medium ohne Podcast ist nicht mehr vorstellbar", sagt Wilhelm.
Nicht zuletzt, weil dort auch Geld zu holen ist. Die Produktion ist kostengünstig und die Werbung im Podcast ist gefragt. "Thema des Tages" ist fast immer ausverkauft", sagt Wilhelm. Fünf Anstellungen werden beim "Standard" mittlerweile durch die Podcasts finanziert.
ORF/NADJA HAHN
Auch die Tageszeitung "Die Presse" setzt in den letzten Jahren stark auf Audioformate. Unter der Schiene "Presse Play" gibt es derzeit fünf Podcasts. Mit "Was wichtig wird" ist auch ein tägliches Nachrichten-Update darunter.
Immer mehr Leute leben vom Podcasten
Die Podcast-Expertin Tatjana Lukáš von Happy House Media sieht für Medien ein großes Potential. Über Podcasts könne man Zielgruppen erreichen, die Zeitungen normalerweise ignorieren oder nur auf Social Media konsumieren. "Die Rate, die Hörerinnen in Abonnentinnen umwandelt, ist extrem hoch", sagt Lukáš. Sie befasst sich seit Jahren mit Podcasts, neben ihrem eigenen Comedy-Format "Drama Carbonara" betreibt Lukáš auch einen Podcast fürs Parlament. Die Expertin weiß: Auch ohne großes Medienhaus im Rücken - das Podcasten kann sich auszahlen. "Es gibt einige Leute in Österreich, die bereits nur vom Podcasten leben können."
Hohe Preise für Podcast-Werbespots
Dazu zählt Andreas Sator. Der Journalist und Autor, der auch beim "Standard" arbeitet, war - was Podcasten angeht - in Österreich einer der Ersten. In "Erklär mir die Welt" interviewt Sator von Fiskalrats-Chef Christoph Badelt bis Kabarettist Josef Hader interessante Persönlichkeiten zu ihren Fachgebieten. Mehr als 240 Folgen gibt es bereits. "Mittlerweile läuft das gigantisch gut. Ich habe letztes Jahr circa 110.000 Euro Umsatz mit Werbung gemacht", erzählt Sator.
Möglich ist das durch die hohen Preise, sagt Stefan Lassnig. Während es über Werbung im Digitalbereich fast unmöglich sei, mit Journalismus Geld zu verdienen, sei das bei Podcasts anders. Bei YouTube bekomme man für eintausend Views einen einstelligen Euro-Betrag, so Lassnig, der sogenannte Tausend-Kontakt-Preis bei seinen Podcasts liege hingegen bei rund 150 Euro. Ein Vielfaches also.
Wenn Journalisten Stimme der Werbung sind
Das gute Geld verschiebt auch die Grenzen des Möglichen. Andreas Sator spricht die Werbung, die Kunden in seinem Podcast kaufen, selbst ein - sogenannte "Host-read Ads" sind mittlerweile der Standard. Sie kommen am besten an, unterbrechen das Hör-Erlebnis beim Podcast am wenigsten. Als Journalist für ein Produkt zu werben sei ihm anfangs nicht leichtgefallen, sagt Sator. Doch jetzt sei er eben auch Unternehmer. "Man kann sich schwer vorstellen, dass Armin Wolf vor der ZiB2 die XXXLutz-Werbung spricht", so Sator. Aber Podcast-Konsumentinnen und Konsumenten, seien diese Werbeform einfach gewöhnt. Das sei ein Grund. "Der zweite ist ehrlicherweise, dass man einfach auch mehr Geld damit verdient, wenn man die Werbung selbst spricht."
ORF darf kaum mit-podcasten
Noch kaum eine Rolle in der Podcast-Welt spielt der ORF. Das ORF-Gesetz setzt den öffentlich-rechtlichen Radio- und TV-Sendern strikte Grenzen. Wenn die eines Tages fallen, könnte die Szene noch einmal neuen Aufwind bekommen, glauben Kenner. Bereits zum dritten Mal wird heuer allerdings der Ö3-Podcast-Award vergeben. Dieser sei "öffentlich-rechtlich im besten Sinn", lobt Stefan Lassnig, weil der Hitsender mit der Auszeichnung neue Medienproduktionen ins Rampenlicht rücke.
Der erfolgreichste Podcast des ORF bisher heißt "Der Professor und der Wolf". ZIB-2-Anchor Armin Wolf und der bekannteste Politologen des Landes Peter Filzmaier unterhalten sich über das politische System in Österreich. Durchschnittlich 50.000 Mal wurden die einzelnen Folgen gestreamt.
Den Podcast hat es nur geben dürfen, weil er auch auf FM4 ausgestrahlt wurde. So will es das ORF-Gesetz immer noch - "only online" ist verboten.
Service
Der Professor und der Wolf - das 1×1 der österreichischen Politik
Der Ö3-Podcast-Award 2023