Seifenblasen im Gras

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Desinformation next Level

Spuren von KI im Superwahljahr

In der Slowakei und Polen haben mit Künstlicher Intelligenz gefälschte Audiodateien im Wahlkampf schon für Aufregung gesorgt. Auch Bilder, Videos und Texte werden mit KI manipuliert. Eine neue Form der Desinformation entsteht. Beobachter befürchten, dass solche Tricks im Superwahljahr 2024 dazu beitragen, Wahlen zu beeinflussen. Aber wie groß ist die Gefahr wirklich? Die Bedrohung ist da, sagen Kommunikationsexperten, aber noch lassen sich keine großen Auswirkungen nachweisen. Das könnte sich rasch ändern.

Kurz vor der Parlamentswahl in der Slowakei letzten Herbst taucht eine Audioaufnahme auf Facebook auf. Zu hören war ein Spitzenkandidat, der angeblich mit einer Journalistin eine Wahlmanipulation ausheckt. Das Audio wurde zwar schnell als Fälschung enttarnt, verbreitete sich aber ebenso schnell. Auch in Polen ist letztes Jahr eine gefälschte Audiodatei im Wahlkampf aufgetaucht - und zwar von der Opposition, die die Stimme des Premierministers gefälscht hat.

Jakob-Moritz Eberl

MICHAEL WINKELMANN

Jakob-Moritz Eberl

Großes Potenzial, ungewisse Wirkung

Müssen wir also fürchten, dass durch künstliche Intelligenz bevorstehende Wahlen manipuliert werden? Der Politik- und Medienwissenschaftler Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien: "Die Bedrohung, die künstliche Intelligenz darstellen kann, die ist auf jeden Fall real. Das Potenzial ist da. Worüber wir noch relativ wenig wissen, ist, was die eigentliche Wirkung betrifft." Also ob und wie Wahlentscheidungen durch KI beeinflusst werden. Was man derzeit in Österreich sehe, das seien eher Spielereien.

Verwendet FPÖ mit KI veränderte Bilder?

Zum Beispiel mit Bildern. Das beobachtet auch die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig, die zum Thema Desinformation viel publiziert. Sie fragt sich, ob die FPÖ Symbolbilder verwendet, die von einer KI erstellt werden: "Etwa wenn die FPÖ besonders blonde Sujets herzeigt, aber da weiß man es nicht. Das sind dann keine Fakes, sondern illustrative Elemente." Es geht da etwa um blonde junge Menschen auf einem Plakat der freiheitlichen Jugend, oder um ein Bild eines tätowierten Arbeiters auf einem FPÖ-Plakat für die Arbeiterkammerwahl.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sagt dazu: "Das kann ich Ihnen nicht bestätigen, ob Künstliche Intelligenz eingesetzt worden ist oder nicht. Ich weiß jedenfalls in unserem Bereich auf der Bundesebene, dass wir es derzeit nicht verwenden." Sein Kommentar zum völkisch angehauchten Sujet der Parteijugend, das er nicht kenne: "Ich habe auch zwei blonde Kinder und die sind nicht künstlich. Das ist einfach so in unseren Breitengraden, dass es halt manchmal auch blonde Kinder gibt."

Künstliche Bilder schüren die Emotionen

Aber: wo beginnt das Schummeln mit KI? Ingrid Brodnig kennt computer-generierte Bilder aus dem Umfeld der deutschen AfD, die ganz extrem Angst vor Migration schüren. "Das kann auch im Wahlkampf passieren. Dass nicht komplette KI-Fakes erstellt werden, sondern zunehmend emotionalisierende KI-Bilder, die jetzt nichts Falsches, aber emotional aufgeladene Symbolbilder liefern." Solche Bilder helfen, eine bestimmte Stimmung noch weiter aufzuheizen.

Auch die jüngsten Bauernproteste in Europa liefern ein Beispiel: Ein Bild mit aufgetürmten Heuballen vor dem Eiffelturm ging viral, die Heuballen hat es aber nie gegeben. Facebook weist das Foto auch als manipuliert aus. Dass Tricks wie diese in kommenden Wahlkämpfen eingesetzt werden, davon sei auszugehen, sagt Brodnig: "Jetzt ist der Moment da, wo sehr viel Software breit zugänglich ist, mit der man Videos und Bilder fälschen kann. Darum muss man davon ausgehen, dass Dinge passieren."

Das Säen von Zweifeln als politische Strategie

Das Säen von Zweifeln kann auch Teil einer politischen Strategie sein, sagt Felix Simons, er ist Kommunikationswissenschafter am Oxford Internet Institute und studiert die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz. Weil immer mehr bekannt wird, was die KI alles kann, würden sich viele Menschen sagen: "Wir wissen gar nicht mehr, welchen Inhalten wir noch trauen können. Es ist nicht nur, dass Leute skeptischer werden, wenn sie in der Familien-WhatsApp-Gruppe Inhalte bekommen, sondern auch wenn sie ORF-Inhalte bekommen oder ORF-Interviews hören, dass sie dann sagen: Wer weiß ob das wirklich so stattgefunden hat."

Und wer hat Interesse an der Entwicklung? "Tendenziell sind es in Europa, aber auch weltweit rechtsextreme und populistische Parteien, die profitieren, wenn das Vertrauen in faktengetreue und genaue Informationen sinkt", sagt Simons.

"Russland spielt da natürlich eine Rolle"

Gefälscht, verzerrt und aus dem Zusammenhang gerissen wird ja schon lange. Die KI bietet nur neue Möglichkeiten. Wer dahinter steckt, weiß man oft nicht. Klar sei, dass auch Russland davon profitiere, sagt Ingrid Brodnig: "Die Frage ist, ob jetzt im EU-Wahlkampf sehr großflächig mit Bots gearbeitet wird von russischer Seite, ob sehr großflächig mit unseriösen Profilen gearbeitet wird, um Politiker schlecht zu machen, die die Sanktionen gegen das Putin-Regime unterstützen."

Desinformation geht auch ganz ohne KI

Worin sich die Experten einig sind: Desinformation zu verbreiten, das geht auch ohne KI, vor allem wenn Politiker das tun. Jakob-Moritz Eberl erinnert an Herbert Kickls Auftritt bei einer FPÖ-Veranstaltung vor zwei Wochen: Zu Gast war Corona-Leugner und Impfgegner Sucharit Bhakdi, dessen Thesen wissenschaftlich längst widerlegt sind. Aber Kickl sagte dort, Bhakdi sei "eine Lichtgestalt, in meiner Religion sagt man ein Engel. Sie sind ein Held, im positivsten Sinne des Wortes." Der Politologe Eberl dazu: "Da geht's nicht um Inhalte, die durch Künstliche Intelligenz generiert werden und die sich auf Sozialen Medien verbreiten. Da geht es um Dinge, die auf Wahlveranstaltungen verbreitet werden, von Politikern, denen ein großer Teil der Wählerschaft vertraut."

Trainings zum Erkennen von KI-Produkten

Gegen Desinformation hilft Qualitätsjournalismus mit Faktenchecks. Florian Schmid leitet das Faktenchecker Team der Austria Presse Agentur (APA). Mit dem Aufkommen der KI sei das Interesse an seiner Arbeit gestiegen. Die APA bietet nun Kurse an, nicht nur für Journalisten, sondern auch für Unternehmen und Organisationen. Es gehe darum: Wie erkenne ich Künstliche Intelligenz?

Da gebe es drei Ebenen, erklärt Schmid. Einmal die innere Ebene: "Dass ich mir anschaue welche Fehler die KI vielleicht macht." Also falsche Details im Bild. Zweitens gebe es KI-Erkennungstools, die seien aber nicht sehr zuverlässig. Der dritte Aspekt sei der spannendste, das sei die äußere Logik. "Dass ich Fragen zum Kontext stelle: Wenn ich den Papst mit der Daunenjacke sehe, dann muss ich mich fragen, gibt's da nicht mehr Aufnahmen, gibt's Augenzeugen, stimmt der Schatten mit der Sonne, stimmt das Wetter." Im Zweifel helfe natürlich auch die gute alte Google-Suche, sagt Schmid: "Dann würde ich immer empfehlen, diese Behauptung in eine Suchmaschine einzugeben und das Wort Faktencheck hinten dranzuhängen, vielleicht finde ich dann sehr schnell Aufklärung."

Kommen Wasserzeichen und Warnhinweise?

Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasend schnell. Die Regulierung hinkt hinterher. Die EU bemüht sich zum Beispiel mit einem Artificial Intelligence Pact. Aber: wer wie und unter welchen Umständen KI-generierte Inhalte kennzeichnen soll, das wird noch heftig diskutiert. Kommt ein Wasserzeichen oder wird es Warnhinweise auf großen Plattformen geben? Felix Simons von Oxford sagt, das sei offen: "Wir haben noch kein einheitliches Bild, was Plattform- oder Medien übergreifend angewandt wird."

Die Wahlen sind sicher, aber wie lange noch?

Noch beschränkt sich der negative Einfluss der Künstlichen Intelligenz bei Wahlen auf kleine extreme Randgruppen, zumindest in Österreich, sagt Jakob-Moritz Eberl. "In Österreich bleiben die Wahlen insofern relativ sicher." Doch bald werde es Grund genug geben, sich zu fürchten, meint APA-Faktenchecker Florian Schmid. "Diese Furcht ist schon angebracht, weil sie in ein, zwei Jahren berechtigt sein wird. Da wird es KI-Fälschungen geben, die wir tatsächlich nicht mehr erkennen können und die sehr einfach erstellt werden können. Aber derzeit ist die Zugangsschwelle noch genau so hoch, dass man nicht damit rechnen muss, dass uns das überschwemmt in diesem Wahljahr."

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