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Ö1 Schwerpunkt
Oscar Peterson: Maharadscha der Tasten
Vor 100 Jahren wurde Oscar Peterson geboren - einer der letzten Giganten des Jazz.
8. August 2025, 19:25
Zu den Sendungen
Hörbilder | 09 08 2025, 9:05 Uhr
Radiokolleg | ab 11 08, 9:45 Uhr - Die Kunst des Pianotrios
Spielräume | 15 08, 17:10 Uhr - Album "We Get Requests"
Ö1 Jazznacht | 16 08, 23:03 Uhr
Der Pianist Rudolf Buchbinder stöbert in seiner Plattensammlung. "Ich bin Oscar-Peterson-Fan seit meinem 15. oder 16. Lebensjahr", erklärt der gefeierte Beethoven-Interpret, während er eine Reihe von Jazz-CDs aus dem Regal zieht: "Das war die Musik unserer Jugend."
600 Platten hat Oscar Peterson im Lauf seiner beispiellosen Karriere eingespielt, Buchbinder scheint den größten Teil davon zu besitzen. Der 78-Jährige legt die "West Side Story" auf den Plattenteller, eine unvergleichlich swingende Jazz-Version des Bernstein-Klassikers, vom Oscar Peterson Trio 1962 für das Label Verve eingespielt. Aus den Lautsprecherboxen perlt "I Feel Pretty", Buchbinder lächelt verzückt: "Hören Sie sich das an ... patam, patam … I feel pretty – patam-patam ... großartig, nicht? Eine meiner Lieblingsnummern."
"Den Swing neu definiert"
Rudolf Buchbinder hält Oscar Peterson für einen "der genialsten Pianisten der Geschichte" – und steht nicht allein mit diesem Urteil. "Oscar war außerhalb jeder Kategorie", schwärmte Dave Brubeck; Herbie Hancock jubelte, der kanadische Tastenmagier habe "den Swing für moderne Jazzpianisten neu definiert"; und der kürzlich verstorbene Filmkomponist Lalo Schifrin, ein Argentinier, kleidete seine Bewunderung in folgende Worte: "Oscar Peterson repräsentierte eine Tradition, die im 20. Jahrhundert so gut wie verloren gegangen war - die des virtuosen Klavierimprovisators, wie Chopin einer war. Oscar war ein Romantiker im Geist des 19. Jahrhunderts - aber mit der Zugabe der afroamerikanischen Tradition des 20. Jahrhunderts."
1925 als Sohn karibischer Einwanderer in Montréal geboren, hat Oscar Peterson ein äußerlich unspektakuläres Leben geführt: keine Drogen, keine Exzesse, keinerlei Skandale. Die psychische Stabilität, die den Musiker auszeichnete, verdankte sich sicher auch dem liebevollen, seine musikalischen Interessen fördernden Elternhaus, in dem er als viertes von fünf Kindern aufgewachsen war. Unter dem Einfluss von Pianisten wie Teddy Wilson und Art Tatum, die er im Radio hörte, begann sich O. P., wie ihn seine Freunde nannten, in den 1930er Jahren für den Jazz zu interessieren, der damals noch eine von kreischenden Teenagern akklamierte Form von Massen-Entertainment war. "Oscar war fleißiger als andere", erklärt der Peterson-Biograf Johannes Kunz: "Er hat geübt und geübt - aus einem einfachen Grund: Er wollte der beste Jazzpianist der Welt werden."
Verdächtig virtuos
Etwas, was dem Kanadier nach Meinung vieler gelungen ist. Der 125-Kilo-Mann – als "Maharadscha der Tasten" gefeiert - vermochte dem Instrument nicht nur die zartesten Töne zu entlocken, sondern auch weitgriffige Akkorde und sublime Läufe von subtiler, schwebender Eleganz. Eine Virtuosität, die manchem verdächtig war.
Thelonious Monk, in vielem ein Antipode Petersons, soll sich des Öfteren abschätzig über das Spiel des kanadischen Kollegen geäußert haben. Zu eingängig, zu glatt, zu perfekt klinge das alles, Petersons Musik habe keine Seele. Ein Urteil, das Rudolf Buchbinder die Zornesröte ins Gesicht treibt: "Diese Kritik ist einfach lächerlich. Natürlich hat Oscar Petersons Spiel Seele. Voraussetzung für die Emotionalität seines Spiels war selbstverständlich, dass er sein Instrument perfekt beherrscht hat." Buchbinder setzt die Nadel noch einmal auf die Platte: "Hören Sie sich das an: I feel pretty - patam-patam ... Für mich war O. P. einer der größten Pianisten der Geschichte".