Heißluftballone

AP/YASUSHI KANNO

Radiokolleg | 10 02 2025 - 13 02 2025

Deutsch im Nachkriegsösterreich

Warum "das Österreichische" bis 1945 kein Thema war

Bis zum Zweiten Weltkrieg war die sprachliche Färbung nicht weiter wichtig, erst nach 1945 begann sich eine sprachliche Identität in Österreich zu entwickeln. Einfluss darauf nahmen unter anderem das Bundesministerium für Unterricht, aber auch die Besatzungsmächte. Wort.Schätze - die Ö1 Sprachviertelstunde widmet sich in vier Teilen den Eigenmerkmalen des österreichischen Deutsch.

Während der Habsburgermonarchie, einem Vielvölkerstaat, war Deutsch eine wichtige Amtssprache; eine "österreichische" Sprachidentität gab es allerdings nicht. Auch sahen sich viele Österreicherinnen und Österreicher als Teil eines einheitlichen deutschen Kulturraums. Mit dem "Anschluss" an das nationalsozialistische Deutschland wurde die deutsche Sprache stark an die Sprachnormen des nationalsozialistischen Deutschlands angepasst.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders nach der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags 1955 begann Österreich, eine eigenständige nationale Identität zu entwickeln, das österreichische Deutsch rückte stärker in den Fokus, die Abgrenzung von der deutschen Sprachvariante wurde zu einem wichtigen Bestandteil der nationalen Identität. 1951 erschien erstmals das "Österreichische Wörterbuch", das bestrebt war, den nazistischen Sprachgebrauch zu beseitigen und die Eigenmerkmale des Österreichischen Deutsch zu stärken.

Vom Volkswagen zum Jeep

"Wie viele Begriffe hat die Sprache des Nazismus geschändet und vergiftet!", bemerkte der deutsche Philologe und Politiker, Viktor Klemperer, 1947 zur Sprache des Dritten Reiches. Manche wurden damals auch erst geschaffen und lebten noch lange weiter: "bis zur Vergasung" für "bis zur Erschöpfung" wurde viele Jahre bedenkenlos verwendet, aber auch scheinbar neuere Begriffe, wie die der "Lügenpresse" gehen auf die Nazi-Zeit zurück. Und feste Begriffe, die heute neutral gebraucht werden und zum alltäglichen Sprachschatz gehören, haben ihren Ursprung in der NS-Zeit: die Autobahn, die Luftwaffe oder auch der Volkswagen gehören dazu.

Nur wenige Jahre später brachten die Besatzer - vor allem englische - Wörter, die im Original oder in deutscher Übersetzung blieben. Der Kaugummi, der Jeep oder die Jeans sind heute nicht mehr wegzudenken.

Unterrichtssprache österreichisches Deutsch?

Ein neuer Staat braucht eine eigene Sprachenpolitik: Konzepte für den Schulunterricht gab es bald nach Kriegsende. Unterrichtsminister Hurdes entschied zum Beispiel, dass das Schulfach "Deutsch" durch "Unterrichtssprache" ersetzt werden sollte, um nicht an das Deutsche Reich zu erinnern. Darüber hinaus verlangen die Alliierten die Einführung eines zweisprachigen Unterrichts für die Sprachminderheiten. Die erste slowenischsprachige Sendung, "Dober dan, Koroška" (Guten Tag, Kärnten) wurde am 2. Mai 1958 im Österreichischen Rundfunk ausgestrahlt. Der 1955 gegründete ORF legte außerdem Wert auf regionalsprachliche Vielfalt und ein Deutsch mit österreichischer Färbung.

Österreichisch ist Deutsch mit Schlagobers

Glaubt man dem Zitat, dessen Verfasser:in nicht sicher belegt ist, gilt es als besonders charmant, dieses österreichische Deutsch. Wie sahen die Österreicher:innen und wie die Deutschen "ihre" Sprachen in der Nachkriegszeit? Was dachten Germanist:innen, Intellektuelle, Schriftsteller:innen seit der Zeit des Nationalismus darüber? Die Literatur nach dem 2. Weltkrieg und die Auseinandersetzung mit der Sprache österreichischer Prägung gewann an Bedeutung. Das widerspiegelte sich in Texten. Der Roman "Der Engel mit der Posaune" von Ernst Lothar aus dem Jahr 1946 zum Beispiel baut typisch österreichische Eigenheiten ein, verwendet neben Austriazismen öfters auch das Perfekt. Und viele, die in den 1970er und 80er Jahren in die Schule gingen, erinnern sich an das "Sprachbastelbuch" und natürlich die zeitlosen Kinder- und Jugendbücher von Christine Nöstlinger.

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