Zwischenruf

von Oberkirchenrat Johannes Wittich (Wien)

"Yes, We Can!"

Nun ist er also wieder gewählt worden: Barack Hussein Obama, 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In wenigen Wochen wird er seine zweite Amtsperiode antreten. Die Amtsperiode, die viele Kommentatoren als "zweite Chance" charakterisieren. Schließlich ist es Barack Obama bei weitem nicht gelungen, die seinerzeit bei der ersten Wahl in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Dass es ihm nicht geglückt ist, hat sicherlich an den politischen Rahmenbedingungen gelegen. Aber eben nicht nur: Die Rolle, die Anhänger, Unterstützer und Bewunderer ihm zugedacht haben, hat stellenweise schon messianische Züge angenommen. Die skeptische Vermutung, dass ein einzelner Mensch an derartig hochgesteckten und idealisierenden Vorstellungen unvermeidlich scheitern muss, hat sich als berechtigt erwiesen.

Dabei war und ist die Geschichte des Barack Obama in ihrer fast märchenhaften Schlichtheit faszinierend: der Aufstieg vom Sohn eines kenianischen Gaststudenten zum mächtigsten Mann der Welt - so eine Karriere bietet sich als Projektionsfläche für Visionen und Träume an. Noch dazu, wenn der Protagonist diesen Aufstieg dem Anschein nach unbeschadet überstanden hat, sowohl was seine Integrität, als auch was seine Überzeugungskraft betrifft. Das als schmutzig verschriene Geschäft der Politik hatte ihn in den Augen seiner Anhänger offensichtlich nicht korrumpiert. Was für ein Kontrast zu dem, was weitläufig über Politik und Politiker gedacht und gemeint wird!

Dass die Hoffnungen auf einen Menschen wie Barack Obama an der Realität gescheitert sind ist ernüchternd - und gleichzeitig auch ein Impuls für kritisches Nachdenken über die eigenen Hoffnungen und Erwartungen. Besonders, wenn diese pseudoreligiöse Züge annehmen. Ein politisches System, auch dessen Weiterentwicklung, steht und fällt nicht mit einer einzigen Person. Wo das vermittelt wird, selbst wenn es unbeabsichtigt geschieht, ist skeptisches Nachfragen angesagt.

Biblische Erzählungen präsentieren wiederholt ein Muster für Visionen von gesellschaftlichen Veränderungen. Friede - "Schalom" - und Gerechtigkeit sind zentrale Begriffe der herrschafts- und gesellschaftskritischen Tradition des Ersten oder Alten Testaments, auf das sich Christen und Juden gemeinsam berufen. Diese Texte sind nahezu immer aus der Perspektive derjenigen, die sich Veränderung mit gutem Grund ganz besonders herbeisehnen, formuliert: Aus der Perspektive heimatloser Nomaden, aus der eines ehemaligen Sklavenvolkes, aus dem Blickwinkel von Opfern sozialer Ungerechtigkeit, von Heimatvertriebenen im Exil. Und auch Jesus zeichnet im Neuen Testament mit seinem Bild eines "Reichs der Himmel mitten unter uns" eine Vorstellung davon, wie es sein könnte. Diese Geschichten und Visionen faszinieren bis heute - und geben ein Grundmuster vor: Veränderung, so wird festgehalten, geschieht durch menschliches Wirken. Durch Umdenken und bewusstes Durchbrechen bestehender Strukturen. Menschen können und sollen mitwirken am Gestalten einer besseren Welt. Und zwar alle - und nicht nur Einzelne, Berufene, Auserwählte oder mit besonderen Befugnissen Ausgestattete.

Das ist, mit anderen Worten gesagt, die kritische Distanz des religiösen Menschen zu menschlichen Autoritäten. Wie der gegenwärtige deutsche Bundespräsident Hans-Joachim Gauck es einmal formulierte, als er sein Leben unter dem DDR Regime beschrieb:

"Anders als die elterliche oder die staatliche Autorität bot der Glaube die Möglichkeit, sich einer Wahrheit anzuvertrauen, die von niemandem befohlen und von niemandem genommen werden konnte. Er vermittelte eine geheimnisvolle Kraft, die uns befähigte, den Minderheitenstatus durchzuhalten, mutig zu bleiben, wo andere sich schon angepasst hatten, und Anständigkeit, Treue und Glauben für wichtiger zu halten als Wohlstand, Karriere oder öffentlichen Erfolg."

In der amerikanischen Komödie "Bruce allmächtig" reagiert Gott auf die Bitte nach einem Wunder mit dem Satz: "Du willst ein Wunder erleben? Sei selbst das Wunder!" Es liegt an uns, ob etwas anders oder gar besser wird. "Yes we can!" ist immer noch aktuell. Solange es beim "we", beim "wir" bleibt und die Veränderung nicht an Andere oder gar nur einen Einzelnen delegiert wird.

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