Gedanken für den Tag

von Wolfgang Mazal, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien und Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung. "Mutproben für Arbeitswelt und Familie". Gestaltung: Alexandra Mantler

Jedem das Gleiche?

Wer kennt nicht das neutestamentliche Gleichnis vom Weinbauern, der sich Gehilfen am Arbeitsmarkt holt und diese trotz ungleicher Arbeitsdauer gleich, nämlich mit jeweils einem Denar am Tag, entlohnt?

Dieses Gleichnis kann man innerlich nur akzeptieren, wenn man es als Bild für die Großzügigkeit des Herrn versteht, der den Menschen jedenfalls gibt, was sie zum Leben brauchen, selbst wenn sie es nicht durch eigene Leistung "verdient" haben.

Das Gleichnis zeigt aber auch, dass die Frage nach Gleich- und Ungleichbehandlung in der Arbeitswelt seit alters her wichtig ist. Dies erklärt sich daraus, dass die zugestandene oder verweigerte Differenzierung für die Identitätsbildung von zentraler Bedeutung ist und daher gerade in der Arbeitswelt, wo wir einen Gutteil unserer Wachzeit verbringen, nicht ignoriert werden darf!

Für Vorgesetzte und Kollegen ergeben sich dabei oft schwierige Situationen: Wo Differenzierung oft allzu rasch als Diskriminierung bezeichnet und empfunden wird, ist das Bestreben, alle schematisch und formal gleich zu behandeln, nahe liegend und verständlich. Aber: Ist es wirklich gerecht, jedem das Gleiche zu geben, wenn die Lebens- und Arbeitssituationen ungleich sind?

Wer allerdings bestrebt ist, "jedem das Seine" zu geben, hat die Verpflichtung, Differenzierungen zu begründen: Sachliche Differenzierungen sind nicht diskriminierend. Und: Wer selbst nicht diskriminierend behandelt werden will, muss sachliche Differenzierungen auch im Vergleich mit anderen akzeptieren!

Für mich liegt in sachlich begründeter Ungleichbehandlung ein Schlüssel für die Anerkennung von Individualität und damit die Anerkennung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als Person. Ich meine, dass sich viel Arbeitsfrust vermeiden lassen würde, der dadurch entsteht, dass ungleiche Situationen über den gleichen Kamm geschoren werden, auch wenn es heute Usus ist, alles in schematische Richtlinien zu gießen, die freilich im Einzelfall oft nicht passen!

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Friedrich Kuhlau/1786 - 1832
Urheber/Urheberin: Friedrich KUHLAU/11.9.1876 Uelzen bei Hannover - 12.3.1832 bei Kopenhagen
Titel: Sonate für Flöte und Klavier in a-moll op.85
* Rondo; Allegro poco agitato - 4.Satz (00:07:38)
Solist/Solistin: Peter Lukas Graf /Flöte
Solist/Solistin: Zsuzsanna Sirokay /Klavier
Ausführender/Ausführende: Peter Lukas GRAF/5.1.1929 Zürich
Länge: 02:00 min
Label: Claves 508705

weiteren Inhalt einblenden