Gedanken für den Tag
von Mirja Kutzer, Germanistin und katholische Theologin. "Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn - wenn Fasten, dann Fasten" - Zum 500. Geburtstag der Teresa von Ávila. Gestaltung: Alexandra Mantler
23. März 2015, 06:56
Teresa und die beginnende Moderne
Die europäische Moderne ist geprägt von einem Verlust. Nach und nach schwindet die Sicherheit, dass es so etwas wie ein Zentrum der Welt gibt, einen Urgrund oder ein Ziel, das Gott genannt werden kann. Die Welt verliert ihre Lesbarkeit. Das Sichtbare bedeutet nichts Unsichtbares mehr. Hinter den Dingen lauert kein tieferer Sinn, der ergründet werden könnte. Damit schwinden alte Sicherheiten. Neue sollen an ihre Stelle treten. Darum bemühen sich in der Moderne etwa die empirischen Wissenschaften, die versuchen, die Welt für jedermann nachvollziehbar zu erklären, allgemein und objektiv. Die Suche nach dem Einzigen, das Sinn und Halt zu geben vermag, wechselt in die inoffiziellen Bereiche - in die Literatur, wo nun nicht mehr Gott, sondern der geliebte andere Mensch das Heil verspricht. Sie wandert in die Mystik, die sich parallel zur offiziellen Theologie entwickelt und sich auf eine neue Suche nach dem Verlorenen macht.
Teresa von Ávila ist eine der herausragenden Vertreterinnen dieser Mystik. Vor 500 Jahren, am 28. März 1515, im spanischen Avila geboren, tritt sie gegen den Willen ihrer Familie in den Karmel ein. Sie beginnt dort ein Reformwerk, das seinesgleichen sucht. Sie gründet neue Klöster, korrespondiert mit den Mächtigen ihrer Zeit, schreibt Bücher. Ihr Bestreben ist es vor allem, den Männern und Frauen im Orden Zeit und Ruhe zu verschaffen, damit sie sich auf ihr Inneres besinnen können. Denn Wahrheit, so Teresas Überzeugung, ist nicht primär etwas, das sich in der Welt objektiv zeigen würde. Sie wird vielmehr im Einzelnen erlebt. Keine theologische Lehre und keine kirchliche Institution kann an die Stelle dessen treten, was der Mensch höchst persönlich erfährt. Darin ist Teresa von Ávila eine Kronzeugin der Moderne und einer ihrer größten Errungenschaften - der Wertschätzung des Subjekts.
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Ludwig Senfl/um 1490 - 1543
Album: Deutsche Volkslieder aus dem 16.Jahrhundert
Titel: Ach Elslein, liebes Elselein - für Laute
Ausführende: Ricercare - Ensemble für alte Musik, Zürich
Leitung: Michel Piguet
Ausführender/Ausführende: Eugen M. Dombois /Laute
Länge: 02:00 min
Label: EMI CDM 7634432