Die junge Generation Komponierender der Ukraine

26. Mai 2020, 23:03

Kompositionen zeitgenössischer Komponierender aus der Ukraine. Mit Werken von Anna Korsun, Maxim Kolomiiets und Alexei Shmurak.

Seit der Euromaidan-Revolution vor sechs Jahren ist eine junge Generation am Zug, die sich selbst hilft und ohne große institutionelle Unterstützung Beachtliches auf die Beine stellt. "Unsere Institutionen sind sehr fragil - sie können schnell wieder verschwinden", erläutert Alexey Shmurak. "Es gibt keine kulturpolitische Strategie. Aber wie auch immer - ich kann nicht sagen, dass momentan alles schlecht ist. Wir haben finanzielle Probleme - aber wir haben auch aktive junge Künstler, speziell nach dem Maidan, nach 2014 - da ist das kulturelle Leben hier explodiert und es brennt weiter, viele sind sehr aktiv. Ich weiß aber nicht, wie lange dieses Feuer brennen wird."

Die ältesten Festivals für Neue Musik gibt es seit drei Jahrzehnten: Ein Frühlingsfestival und das 1990 gegründete Kiev Music Fest. Es hat in den 1990er Jahren wichtige Möglichkeiten für Komponierende geboten. Ebenfalls bedeutend ist das Festival Two Days And Two Nights Of New Music in Odessa, organisiert von der Komponistin Karmella Tsepkolenko. Auch gemischt programmierte Festivals sind sehr beliebt und erfolgreich. Dazu gehört auch das Festival Lviv Mozart zu Ehren von Mozarts Sohn, der 40 Jahre lang in Lemberg gewohnt hat und dort als Komponist gewirkt hat. Gegründet wurde das Festival von Oksana Lyniv, der Chefdirigentin der Grazer Oper.

Es gibt allerdings kein fixes Ensemble für Neue Musik, das fixe Subventionen erhält, wie in Österreich etwa das Klangforum Wien. Daher müssen sich die zwei wichtigsten Ensembles von Projekt zu Projekt neu finden. Das Ensemble Nostri Temporis wurde 2007 von Maxim Kolomiiets und Alexey Shmurak gegründet. Es war Vorbild für das Ukho-Ensemble - es steht vor Herausforderungen, ohne staatliche Hilfen zu überleben.

"Ein Ensemble von dieser Größe privat zu finanzieren, ist eine Herausforderung", so Sasha Andrusyk, Mitbegründerin der Agentur Ukho. "Wir bekommen weder von der Stadt noch vom Staat finanzielle Unterstützung. Ukho ist eine private Initiative. Es bedeutet einen großen Aufwand, die Gelder für Projekte aufzustellen. Dieses Programm in dieser Dichte aufrecht zu erhalten war möglich, weil wir einen Veranstaltungsort Namens Plivka nutzen konnten. Dort wurde experimentelle Musik aller Genres aufgeführt. Es wurde vor zwei Jahren geschlossen. Derzeit bemühen wir uns darum, ein neues Kulturzentrum zu kreieren. Wir arbeiten an dieser Infrastruktur - Ukho ist von der musikalischen Seite her beteiligt, andere kümmern sich um Visuals und die Architektur."

Die Lage hat sich in den letzten Jahren verbessert. "Lange Zeit hatte die Regierung Neue Musik überhaupt nicht im Blickfeld", erläutert Andrusyk. "Es war nicht Teil ihrer Bemühungen. Bis vor vier bis fünf Jahren war die Möglichkeit, als Komponist zu überleben, entweder im Konservatorium zu arbeiten, privat zu unterrichten oder Mitglied des Komponistenverbandes zu werden - das ist ein strukturelles Relikt aus der Sowjet-Zeit. Dann konnte man hoffen, als Teil dieser Struktur von staatlich unterstützten Orchestern oder Konzerthäusern Aufträge zu bekommen. Aber das war überhaupt nicht effektiv. Das alles war total unterfinanziert - es gab keine Ressourcen, um überhaupt viel auf die Beine zu stellen. Und man war auch nicht sehr aktiv, finanzielle Quellen zu erschließen. Als Komponist und Musiker musste man einfallsreich sein."

Der Oligarch Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine von 2014 bis 2019, hat im Kulturbereich Strukturen geschaffen, die bis heute wirken. 2017 wurde die Ukrainian Culture Foundation gegründet. Sie koordiniert Kunstunterstützung nach innen, das Ukrainische Institut koordiniert und finanziert Auslandsprojekte wie das Kulturjahr Österreich-Ukraine 2019. "Aufträge für ukrainische Komponistinnen kamen für lange Zeit entweder vom Ausland oder überhaupt nicht", sagt Andrusyk. "Das hat sich mit der Gründung der Ukrainian Cultural Foundation geändert."

Vieles bleibt abhängig vom politischen Umfeld oder dem Willen des einen oder anderen Oligarchen. "In gewisser Weise ist die Ukraine ein Land, wo man immer jung sein muss. Man muss wissen, wie man wieder und wieder von neuem beginnt. Weil vieles fällt sehr schnell wieder auseinander - in sehr unerwarteter Weise", resümmiert Andrusyk.

Gestaltung: Rainer Elstner

Service

Soundcloud - Maxim Kolomiiets
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Patreon - ASHOS
YouTube - Ukho music
Anna Korsun

Sendereihe

• Sound Art: Zeit-Ton

Gestaltung

• Rainer Elstner

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• Nebenan: Ukraine