Novalis, Staalstich vom Friedrich Eduard Eichens (1845), Ausschnitt

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Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk - Der romantische Mensch

Die Geburt der Moderne im Geist der deutschen Romantik - Zum 250. Geburtstag von Novalis von Wolfgang Müller-Funk, Literaturwissenschafter

"Die Poesie ist die Jugend unter den Wissenschaften. Als Kind mag sie ausgesehen haben, wie der Engel unter der Madonna, der den Finger so bedeutend auf den Mund drückt, als traut er diesem Leichtsinn nicht."

Friedrich von Hardenberg, 1772 in einer norddeutschen pietistischen Familie geboren, ist vielleicht der erste romantische Mensch, wie das Fragment aus dem Jahre 1799, aber auch das einzige erhaltene Porträt verraten: ein engelähnlichen Gesicht, in dem sich weibliche und männliche Züge überlagern.

Der romantische Mensch unternimmt den leichtsinnigen Versuch, die Gegensätze dieser Welt in Einklang zu bringen, Mann und Frau, Poesie und Wissenschaft, Physik und Fantasie, Körper und Psyche, Religion und Aufklärung, das Ganze und das Fragment, Diesseits und Jenseits. Als Novalis 1801 knapp dreißigjährig stirbt, hinterlässt er ein Werk, das immerhin sechs dicke Bände umfasst: ein Romanfragment, politische Aphorismen, ein Traktat über Europa, poetische Prosa über die Natur, Gedichte, Tausende von Notizen und Fragmenten: "Poét(ische) Physiol(ogier). Unsre Lippen haben oft viel Aehnlichkeit mit den beyden Irrlichtern im Märchen. Die Augen sind das höhere Geschwisterpaar der Lippen - Sie schließen und öffnen eine heiligere Grotte, als den Mund ..Die Wimpern sind die Lippen."

Seinem Künstlernamen - Novalis - folgend, betritt der Dichter thematisch Neuland: Sexualität und Körper, Traum und Psyche, Natur und Leben, moderne Mystik, politische Utopie. Neu ist auch die Denkweise. Nichts lässt sich vollenden, alles bleibt Bruch und verweist auf ein Ganzes. Durch eine Kunst, die sich mit dem Leben paart und in der sich Gattungen und einzelne Künste miteinander verbinden. Analogie, aber auch Ironie sind jene Zauberstäbe, deren sich Novalis bedient, um seine poetische Botschaft zu formulieren: "Siehst Du einen Riesen, achte auf den Stand der Sonne, ob es nicht der Schatten eines Zwerges ist."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann 1810 - 1856
Titel: Märchenerzählungen op.132 - für Klavier, Klarinette und Viola
* Nr.3 Ruhiges Tempo mit zartem Ausdruck (00:03:58)
Solist/Solistin: Ricardo Requejo
Solist/Solistin: Thomas Friedli
Solist/Solistin: Hirofumi Fukai
Länge: 03:58 min
Label: Claves 508201

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