Novalis, Staalstich vom Friedrich Eduard Eichens (1845)

GEMEINFREI

Novalis 250

Die Poetisierung der Welt

Zum 250. Geburtstag des Dichters und Philosophen Novalis.

Das Credo von Novalis lautete: "Nach innen geht der geheimnisvolle Weg", den er während seines kurzen Lebens (1772 bis 1801) konsequent beschritt. Er war auf der Suche nach der imaginären Sphäre der Schönheit und des Idealen. Das Symbol dafür war die "blaue Blume", die stellvertretend für die frühromantische Sehnsucht nach dem Unendlichen, Absoluten steht. Die Empfehlung, das Innere des Menschen aufzusuchen - seinen Imaginationen, Wünschen, Fantasien nachzugehen -, steht im krassen Gegensatz zur Zweckrationalität der Bourgeoisie, die Effizienz und Produktivität als Lebenszweck propagierte. Ausdrücklich richtete sich Novalis gegen den Fetisch des Eigentums, den er als "böses Gift" bezeichnete, das "die Ruhe verscheucht".

Das Gift des Zweckrationalen ortete der Dichter auch in den Experimenten der zeitgenössischen Naturwissenschaften, unter deren Händen ...

... die freundliche Natur starb und nur tote, zuckende Reste zurückließ.

Die Natur war für Novalis keine totgeschlagene Materie, sondern ein wohlgeordneter Organismus - "ein ewiges, tausendstimmiges Gespräch, worin alles mit allem verbunden ist".

"Dem Bekannten die Würde des Unbekannten"

Als Philosoph entwarf er eine "Neue Mythologie", die als Verbindung zwischen antiker Vergangenheit, christlicher Gegenwart und zukünftiger Poesie gedacht war. Mit diesem Projekt verfolgte er das Ziel, die Welt nach der Entzauberung durch die Aufklärung wieder zu verzaubern. "Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es."

Die "Neue Mythologie" sollte "das Leben und die Gesellschaft poetisch machen" und den Menschen mit der Natur versöhnen. Es ist dies eine Welterfahrung, die die übliche Trennung von subjektiver Wahrnehmung und objektiver Außenwelt aufhebt. Die beiden Sphären brechen nicht länger auseinander, sondern werden vom frühromantischen Dichter zusammengefügt.

Roman "Heinrich von Ofterdingen"

Die literarische Umsetzung dieses Projekts findet sich im Roman "Heinrich von Ofterdingen", in dem "eine Vermählung von Poesie und Philosophie" stattfindet. Erzählt wird die Entwicklung eines Jünglings zum Dichter, wobei Tagträume, Fantasien und Begegnungen mit märchenhaften Gestalten eine wichtige Rolle spielen. Die Welt der nüchternen Realität wird romantisiert - im Sinne der postmodernen Philosophie dekonstruiert und auf spielerische Weise neu arrangiert. Der Dichter erschafft sich ein imaginäres Reich, das der romantische Nachfahre Hermann Hesse so beschreibt: "Nichts ist außen, nichts ist innen, denn was außen ist, ist innen."

Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut

Eine andere Form der Verschmelzung findet sich im Gedichtzyklus "Hymnen an die Nacht". Hier erfolgt ein Eintauchen in die Gefilde des Nächtlichen, des Unbewussten, es entsteht eine kurzfristige Ahnung von der völligen Vereinigung mit dem Absoluten. Das Ziel, das dem Ich von nun an vorschwebt, ist das ständige Leben in einem hundertprozentigen Sein, was sich jedoch als illusorisch erweist. Novalis verbindet das Nachtmotiv mit theologischen Konnotationen und beschwört den Urgrund des Seins - jenen Bereich, in dem die Welt des Tageslichts jegliche Bedeutung verliert:

"Unendliches Leben/Wogt mächtig in mir/
Ich fühle des Todes/Verjüngende Flut/
Zu Balsam und Äther/Verwandelt mein Blut/
Ich lebe bei Tage/Voll Glauben und Mut/
Und sterbe die Nächte/In heiliger Glut."