Keine Feierlaune in Brüssel

Europa und die Euro-Krise

In der Europäischen Union wehen die festlichen Fahnen des Europatages, Feierlaune gibt es aber kaum in Brüssel. Die Schuldenkrise hat einige EU-Länder fest im Griff, jetzt gibt es auch Spekulationen über eine Krise des Euro generell, sogar über Ausstiegsszenarien aus der gemeinsamen Währung wird laut geredet, gleichzeitig aber auch wieder dementiert.

Mittagsjournal, 09.05.2011

In der Europäischen Union wehen heute die festlichen Fahnen des Europatages, aber das Blau der Europaflagge strahlt nicht mehr so recht in der Schuldenkrise, und manche der goldenen Euro-Sterne scheinen nicht mehr ganz so fest angenäht zu sein wie früher. Vor allem Griechenland vergällt Europa das große Feiern heute mit anhaltendem Budgetfiasko und Euro-Ausstiegsgerüchten. Zwar werden in Brüssel die visionären Ideen von Robert Schumann vor 61 Jahren heute wieder hochgehalten, aber auch die edelsten Visionen geraten leicht ins Hintertreffen angesichts einer finanzpolitischen Realität wie jetzt. Die EU-Spitze betont heute jedenfalls Harmonie und Durchhaltewillen in der Krise.

Aufregung um Geheimtreffen

Dass sich europäische Finanzminister im kleinen Kreis zusammensetzen um Sorgenkinder ins Gebet zu nehmen, das ist normalerweise keine Schlagzeile wert. Am Rande von EU-Gipfeln oder bei regulären Finanzministertreffen passiert das immer wieder.

Doch vergangenen Freitag hat in Berlin irgendjemand dem deutschen Spiegel angekündigt: es gehe bei einem Geheimtreffen in Luxemburg um den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Eine Sensation stehe bevor, Europa sei dabei in eine neue Krise zu stürzen. Hunderte Reporter aus ganz Europa begannen zu recherchieren.

Keine Euro-Austritts-Szenarien

Luxemburgs Premierminister, der Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker ließ das Treffen vorerst dementieren. Um dann spät in die Nacht doch vor die Presse zu treten, ja, mit Frankreich, Deutschland und Spanien, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission habe man über Griechenland gesprochen. Von Austrittsplänen, die deutsche Medien kolportieren, könnte dagegen keine Rede sein, das sei schlicht dumm.

Versucht wurde hinter den verschlossenen Türen in Luxemburg offensichtlich eine Absprache der großen Geldgeberländer, wie mit den zunehmenden schlechten griechischen Wirtschaftsnachrichten umgegangen werden soll, die inzwischen auch dem Internationalen Währungsfonds in Washington Sorgen bereiten.

Kosten unvergleichlich höher

Aber trotz aller Dementis werden Austrittsszenarios für den Euro inzwischen europaweit diskutiert. Ein angesehener deutscher Wirtschaftsexperte macht sich für die Radikalkur stark. Aus dem deutschen Finanzministerium kommt dagegen ein Papier, wonach die Kosten eines Austritts Griechenlands aus dem Euro für alle, auch Deutschland, unvergleichlich höher wären, als Zahlungsaufschub oder Zinssenkungen für die notleidenden Griechen. Immerhin hat ja Griechenland bisher keinen Cent aus dem Euro-Stabilisierungsfonds erhalten. Die Hilfsaktion vor einem Jahr ist noch vor Bildung des Rettungsschirms in einem separaten Vertrag erfolgt. Der Euro-Rettungsschirm hat sein Pulver noch lange nicht verschossen.

Austritt nicht vorgesehen

Ein Austritt aus dem Euro, das ist in den Verträgen auf jeden Fall gar nicht vorgesehen. Möglicherweise müsste ein Mitgliedsland dazu sogar die EU verlassen, das ganze Gebäude der europäischen Integration wäre erschüttert. Aber die rechtspopulistischen Wahren Finnen in Helsinki plädieren ebenso für eine Rückkehr zur alten Währung wie Marine Le Pen von der rechtsextremen Nationalen Front in Frankreich.

Vor der Sehnsucht nach einer verflossenen heilen Welt, in der die nationale Souveränität noch scheinbar so wichtig war, sind offensichtlich weder reiche noch arme EU-Staaten gefeit. Obwohl sich die wirtschaftlichen Folgen eines Jeder gegen Jeden im kleinen Europa, mit Bankenkrachs und rapide steigender Arbeitslosigkeit auch in den reichen Nordstaaten, wohl kaum jemand ernsthaft ausmalt.

Politische Krise

Helmut Schmidt, der ehemalige deutsche Bundeskanzler, argumentiert in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, dass hinter diesen Turbulenzen eine politische Krise der Europäischen Union aber sicher keine Krise des höchst stabilen Euro steht. Das gegenseitige Vertrauen zwischen den EU-Staaten sowie in die gemeinsamen europäischen Institutionen geht zurück. Die Renationalisierung der europäischen Politik schwächt die Union als Ganzes. Der gemeinsamen Währung steht noch immer keine gemeinsame Wirtschafts-und Finanzpolitik gegenüber, trotz aller Versprechen für eine EU-Wirtschaftsregierung. Die politische Union, die durch den Euro beschleunigt werden sollte, stockt. Eine politische Krise, keine Eurokrise, diagnostiziert denn heute auch die angesehene Financial Times für die Europäer.

Zeit der Entscheidung ist da

Doch Schübe vorwärts machen die Europäer erfahrungsgemäß nur ganz knapp vor dem Abgrund, wenn zur Aufgabe nationaler Souveränität wirklich nur Chaos und Zerfall die Alternative sind. Es wird für die Europäer Zeit sich zu entscheiden, so der Kommentator des britischen Blattes, entweder es kommt zu einem schwer vorstellbaren Schritt zurück und auseinander, oder ebenfalls höchst schwierig, der Sprung der EU zur Politischen Union wird gewagt.