Albanisches Flüchtlingslager

Ilir Tsouko Gjader

Radiokolleg Spezial

Border Business

Eine Recherchereise zu Europas neuer Migrationspolitik

Trailer zur vierteiligen Serie "Border Business"

Überfüllte Boote an griechischen Stränden, Stacheldraht an der serbisch-ungarischen Grenze – diese Bilder bestimmten 2015 die Nachrichten. Noch immer wagen Menschen die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Allein 2024 gab es dort laut IOM (International Organisation of Migration) mindestens 2.452 Todesfälle. Doch die Bilder sind verschwunden, und das, obwohl Europas Grenzen dichter überwacht werden als je zuvor.

Albanisches Flüchtlingslager

Ilir Tsouko Gjader

Das Geschäft mit der Grenze

Kameras mit Gesichtserkennung, die in Flüchtlingslagern jeden Schritt registrieren. Algorithmen, die über Asylanträge entscheiden. Drohnen, die Europas Grenzen in Echtzeit überwachen. Die EU verstärkt den Grenzschutz - mit Hochsicherheitslagern und immer neuen Kontrollsystemen. Dahinter steckt nicht nur Politik, sondern auch ein wachsendes Business. Die Serie "Border Business - Das Geschäft mit Europas Grenzen" erzählt, wer investiert, wer profitiert - und wer verliert.

Entwicklungen der vergangenen Jahre hörbar machen

Wir reisen an zentrale Schauplätze der neuen europäischen Migrationspolitik: zur meterhohen Grenzanlage an der ungarisch-serbischen Grenze, vor das italienische Rückführungszentrum in Albanien, zum Hochsicherheitslager auf der griechischen Insel Samos, auf eine internationale Verteidigungsmesse in Athen - und schließlich nach Wien zu hochrangigen Politikern und Ideengebern der Migrationswende. Wir sprechen mit Anwohnern, Politikern, Unternehmern, Betroffenen und Experten. So entsteht ein vielstimmiges Hörstück, das zeigt, wie Europa seine Grenzen neu definiert

Containersiedlung

Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos

ILLIR TSOUKO

EU-Grenze als Hochsicherheitszone

Zehn Jahre nach der großen Fluchtbewegung hat sich Europas Grenzlandschaft radikal gewandelt. Wo einst nur Wälder standen, erstrecken sich heute Hochsicherheitszonen mit kilometerlangen Zäunen, überwacht von Drohnen und KI-gesteuerten Kameras. Über 2.000 Kilometer Zaun trennen die EU inzwischen von ihren Nachbarländern, 2015 waren es laut EU-Parlament 315 Kilometer. Auch Flüchtlingslager verwandeln sich in streng kontrollierte Zonen: Zugang erfolgt nur noch mit Chipkarten und biometrischen Daten, das Verhalten der Bewohner wird von intelligenten Systemen erfasst.

Drohnen, Roboter, halbautomatische Luftschiffe

Zwischen 2014 und 2022 hat die Europäische Union mehrere hundert Millionen Euro für Projekte zur Entwicklung von Grenztechnologien bereitgestellt. Finanziert wurden autonome Drohnenschwärme und KI-Systeme, die Daten aus Satelliten, Kameras und Sensoren auswerten sollen - um "potenzielle Bedrohungen" zu erkennen und "illegale Aktivitäten" aufzuspüren. Auch Forschungsprojekte zu Robotern für Grenzpatrouillen oder gar Flugobjekte für die Stratosphäre erhielten Mittel. In ein Forschungsprojekt zur Einsetzbarkeit des "Stratobus", der für langfristige Überwachungsmissionen ausgelegt ist und auch für die Grenzüberwachung nutzbar wäre, flossen sieben Millionen Euro.

Hinter dieser Aufrüstung steckt ein lukratives Geschäft.

Das immer wieder neu definierte Migrationsmanagement ist längst nicht mehr nur ein politisches Thema - es ist auch ein Markt. Die für 2026 geplanten EU-Mittel im Bereich Sicherheit und Verteidigung sollen um knapp 200 Mio. Euro auf etwa 2,8 Mrd. Euro steigen. Für Migration und Grenzmanagement wird ein Zuwachs von rund 230 Mio. Euro veranschlagt – damit sollen sich die Mittel auf mehr als 5 Mrd. Euro. summieren.

Dennoch sind fliehende Menschen an den Grenzen weiterhin Gewalt ausgesetzt. Investigative Recherchen dokumentieren sogenannte Pushbacks, bei denen Asylsuchende ohne Verfahren in Nachbarländer zurückgedrängt werden, sowie anhaltende Misshandlungen in Lagern, die eigentlich eine neue Sicherheit versprechen. Zugleich wird die Berichterstattung zunehmend behindert: Presseanfragen bleiben in vielen Ländern unbeantwortet, Recherchen in griechischen Flüchtlingslagern sind nur in Ausnahmefällen möglich - und zum neuen Aufnahmezentrum in Albanien haben Journalisten seit der Eröffnung keinen Zutritt. Trotz allgegenwärtiger Kameras bleibt somit, was auf den Fluchtrouten geschieht, der Öffentlichkeit so wenig zugänglich wie selten zuvor.

In der Serie „Border Business - Das Geschäft mit Europas Grenzen“ richten wir den Blick auf ein Europa, das das Asylrecht neu definiert – und dabei ein milliardenschweres Geschäft entstehen lässt. Wem dient das neue System? Wer profitiert, wer verliert – und wer wird dabei eigentlich geschützt?