Vielbesuchter chinesischer Pavillon

EXPO 2010 Shanghai

Nur ein paar Tage nach der Eröffnung existiert schon ein inoffizielles Ranking der schönsten Pavillons. Angeführt wird es vom britischen, Österreich ist unter den ersten Fünf. Unter Chinesen wurde die Umfrage wohl nicht gemacht, denn es ist anzunehmen, dass sie den eigenen Pavillon an erster Stelle sehen würden.

Kultur aktuell, 03.05.2010

Man würde eigentlich erwarten, hier stundenlang anzustehen. Aber wer es geschafft hat, eine gesonderte Eintrittskarte für den chinesischen Pavillon zu erhalten, kommt relativ zügig hinein, vorbei an enttäuschten Massen, die keinen Timeslot ergattert haben. Die überwiegende Mehrheit der EXPO-Besucher kommt aus China selbst, sie alle wollen natürlich "ihren" Pavillon sehen. Aber der imposante, rote Bau, dessen Form sich an klassischer chinesischer Architektur orientiert, kann pro Tag nur 50.000 Besucher verkraften. 400.000 bis 600.000 werden hingegen täglich auf dem Gelände erwartet.

Positive Überraschung

Die Politiker wollten einen Pavillon, der imposant ist und chinesische Charakteristik zeigt, erklärt sein Architekt He Jingtang. Imposant ist er zweifellos. Mit 160.000 Quadratmetern Fläche und 69 Metern Höhe überragt er alle anderen. Und wie ist es mit der chinesischen Charakteristik im Inneren?

Der Besucher wird überrascht sein. Eine Videoinstallation mit Alltagsszenen ist das erste, was man zu sehen bekommt. Jugendliche skaten im Park, ein Mann kauft sein Frühstück am Straßenstand, alles gedreht wie Amateurvideos. Man wird positiv überrascht davon, dass man nicht die üblichen Hochglanzbilder geboten bekommt. Ein paar Schritte weiter kann man sehen, wie sich die Wohnverhältnisse von den 1980er Jahren bis heute geändert haben. Alte wie neue Möbel sind ausgestellt. Bei einem Besucher mittleren Alters kommen Erinnerungen auf:

"Die Veränderungen sind gerade hier in Shanghai besonders groß. Früher haben drei Generationen unter einem Dach gewohnt. Heute hat jeder seine eigene Wohnung."

Reis zur Nährung der Identität

Vorbei an einer gewaltigen Videoprojektion eines alten chinesischen Dorfes kommt man zur ersten Station einer Themenausstellung, die fast an eine Art Disneyland erinnert. In einer Ecke wächst "Superreis", der laut Text nicht nur die Menschen, sondern auch die Identität nährt. Giftgrün beleuchtete Bäume vor einer blau beleuchteten Lichterwand sollen "Hoffnung" symbolisieren. Zahllose Gesichter verschmelzen zum perfekten neuen Wohnblock. Soll das diese Hoffnung sein? Auch ein junger Besucher hat nur eine vage Ahnung: "Hoffnung heißt, dass man in der Zukunft seine schönen Wünsche wahrwerden lassen kann. Gute Dinge, das ist für mich Hoffnung."

So sollte es wohl zu verstehen sein. Der chinesische Pavillon zeichnet die Utopie eines neuen China der Nachhaltigkeit und Harmonie. Dass dabei die sonst übliche Beschwörung der jahrtausendealten Tradition fehlt, ist wohltuend. Dass es keine offensiven politischen Statements gibt, ungewöhnlich. Keine Bilder der geliebten Führung, keine Slogans, dafür Kinderzeichnungen, bei denen fraglich ist, ob sie tatsächlich von Kindern stammen. Die räumliche Wahrnehmung der Sechs- bis Zwölfjährigen, die hier gezeichnet haben sollen, ist entweder genial, oder ein paar Erwachsene haben nachgeholfen.

Kinder sollten sich in diesem Pavillon allerdings besonders gut fühlen. Bevor man lernt, dass die Benützung eines Autobusses weniger Energie verschwendet als mit dem eigenen Auto zu fahren, darf man in eine Art Geisterbahn einsteigen. Man fährt vorbei an alten und neuen Brücken, die einmal in blaues, dann wieder in oranges Licht getaucht werden. Auch den Erwachsenen gefällt's: "Ich finde es großartig. Die Geschichte Chinas ist eine lange. Das hier ist wirklich gut gemacht. Sowohl die Architektur als auch der dargestellte Inhalt sind reichhaltig."

Vielleicht muss man Chinese sein, um diese inhaltliche Reichhaltigkeit zu erkennen. Vielleicht genügt es auch, viele bunte Lichter zu installieren um mangelnden Inhalt als reichhaltig erscheinen zu lassen. Auf der Rolltreppe wieder auf dem Weg nach unten, aus diesem Pavillon hinaus, bleibt man als Ausländer etwas ratlos zurück. Aber man hat dabei eine grandiose Aussicht auf die anderen Pavillons. Allein dafür hat sich der Besuch gelohnt.