Slowakei protestiert

Ungarn erlaubt Doppelstaatsbürgerschaft

Das ungarische Parlament hat am Mittwoch für die umstrittene Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes gestimmt, durch die Angehörigen ungarischer Minderheiten in den Nachbarländern eine Doppelstaatsbürgerschaft verliehen werden kann.

An der Abstimmung nahmen 344 der 386 Abgeordneten teil, 97,7 Prozent stimmten mit Ja. Das geplante Gesetz war vor allem in der Slowakei auf heftige Proteste gestoßen.

Abendjournal, 26.05.2010

Stefan Ozsváth

Müssen nicht im Land leben

Das Gesetz sieht vor, dass in Zukunft auch Personen die ungarische Staatsbürgerschaft erhalten können, die nicht im Land leben, unter deren Vorfahren aber mindestens ein ungarischer Staatsbürger war, und die zudem die ungarische Sprache beherrschen. Bisher konnten nur solche nicht im Land lebende Personen die ungarische Staatsbürgerschaft erhalten, die sie schon einmal besessen hatten, bzw. damit rückwirkend auch ihre Nachfahren. Das ungarische Wahlrecht wird von der jetzigen Änderung nicht tangiert, da auch bis dato nur ungarische Staatsbürger wahlberechtigt sind, die im Land selbst ihren Wohnsitz haben. Auch die Bestimmungen zur Sozialversorgung bleiben unverändert.

Slowakei kontert empört

Das slowakische Parlament wollte am Mittwoch als Gegenmaßnahme umgehend eine Novelle des eigenen Staatsbürgerschaftsgesetzes verabschieden, wie es Regierungschef Robert Fico bereits zuvor angekündigt hatte. Laut dieser Änderung soll ein Bürger der Slowakei, der um die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates ansucht, automatisch die slowakische Staatsbürgerschaft verlieren.

Die von der slowakischen Regierung vorgelegte Novelle wird von den Regierungsparteien sowie der oppositionellen Christdemokratischen Bewegung (KDH) unterstützt. Das heißt, das Gesetz könnte mit mindestens 99 von 150 Stimmen verabschiedet werden. Gegen die Gesetzesänderung wollen die Abgeordneten der Partei der Ungarischen Koalition (SMK) und der von Abtrünnigen der SMK gegründeten neuen Partei Most-Hid (Brücke) stimmen. Die oppositionelle SDKU von Ex-Premier Mikulas Dzurinda will eine eigene Novelle vorlegen.

Premier erbost

Der slowakische Premier Fico übte am Mittwoch erneut heftige Kritik am Vorgehen des neuen ungarische Parlaments, in dem die rechtskonservative Partei Fidesz-MPSZ des künftigen Regierungschefs Viktor Orban eine überwältigende Mehrheit hat. Er bemängelte zudem, dass Orbans erster Auslandsbesuch nach Polen führen soll. "Orbans angekündigter Polen-Besuch erscheint so, als würde er symbolisch sein eigenes Territorium überspringen und ein Nachbarland Ungarns besuchen", sagte Fico in Bratislava vor Journalisten. Das Gebiet der heutigen Slowakei hatte vor dem Friedensvertrag von Trianon 1920 mehr als 900 Jahre lang zum Königreich Ungarn gehört. In der Slowakei leben rund 500.000 Ungarn.

OSZE warnt vor möglichen Spannungen

Knut Vollebaek, der Minderheitenkommissar der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), sprach sich nach einem Treffen mit dem slowakischen Außenminister Miroslav Lajcak am Dienstag zwar nicht direkt gegen das ungarische Gesetz aus. Er gab jedoch zu bedenken, dass "konkurrierende Versuche von Ländern, unabhängig vom Wohnort Jurisdiktion über ihre Bürger zu üben, das Potenzial haben, Spannungen zu verursachen". Vollebaek rief beide Seiten zu bilateralen Verhandlungen über das Thema auf.

2,5 Millionen Menschen betroffen

Die Budapester Gesetzesänderung ist auf die rund 2,5 Millionen Ungarn zugeschnitten, die in den Nachbarländern - vor allem in der Slowakei und Rumänien - als Minderheiten leben. Das Staatsgebiet Ungarns hatte vor dem Friedensvertrag von Trianon diese Siedlungsgebiete umfasst, so dass sich unter den Vorfahren dieser Ungarn auf jeden Fall ungarische Staatsbürger befinden. Das Gesetz soll symbolisch am Nationalfeiertag, dem 20. August, in Kraft treten, wird aber erst ab Anfang des kommenden Jahres umgesetzt.

Alte Forderung von Fidesz

Die Doppelstaatsbürgerschaft war eines der zentralen Anliegen von Fidesz gewesen. Bereits 2004 hatte die Partei - damals in Opposition - eine Volksabstimmung über die Doppelstaatsbürgerschaft initiiert, die aber letztlich an der niedrigen Beteiligung gescheitert war.