Neues Besuchsrecht und kürzere Verfahren
Scheidung: Auf Kosten der Kinder
Nach einer Trennung werden Kinder oft zum Spielball ihrer Eltern. Die langen Gerichtsverfahren und österreichischen Gesetze könnte dabei eine Mitschuld treffen. Von der Sprecherin der österreichischen Familien-Richter kommen jetzt erste Vorschläge für ein neues Besuchsrecht und eine Verkürzung der Gerichtsverfahren.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 07.06.2010
Zu lange Wartezeiten
Die Wartezeiten auf Gerichtsbeschlüsse sind ein Mitgrund dafür, dass sich Obsorgestreitigkeiten zwischen Eltern zuspitzen, sagt Doris Täubel-Weinreich, die Sprecherin der Familienrichter. Denn während dieser Wartezeit sieht so mancher Elternteil die Kinder fast nie, etwa wenn der andere Elternteil die ursprünglich vereinbarten Besuchszeiten nicht mehr ermöglicht. Richter aber müssten eben Formalitäten einhalten und Gutachten einholen, sagt Täubel-Weinreich.
Schlichtungsstelle für Eltern
Sie schlägt vor, dass künftig bei Streitigkeiten über Besuchszeiten nicht gleich die Bezirksgerichte eingeschaltet werden. Vielmehr sollen Vermittlungsstellen geschaffen werden, in denen Psychologen arbeiten: „Innerhalb von wenigen Tagen müsste es einen Schlichtungsversuch geben. Wenn die Eltern nicht einigen, würde diese Schlichtungsstelle eine Stellungnahme abgeben, und die dem Richter schicken“, erklärt Täubel-Weinreich.
Mindestbesuchsrecht per Gesetz
Beschleunigen oder gar vermeiden könne man Gerichtsverfahren auch, indem Standard-Besuchsregelungen gleich im Gesetz festgelegt werden. Beispielsweise sechs Tage gesetzliches Mindestbesuchsrecht pro Monat für den Vater, wenn die Kinder bei der Mutter leben. Das heißt: "Wenn die Eltern nichts anderes vereinbaren, findet der Besuch alle 14 Tage und in der dazwischenliegenden Woche an einem Tag statt", so die Sprecherin der Familienrichter, Doris Täubel-Weinreich.
"Halbe-Halbe" für Mutter und Vater
Bisher galt als gängige Rechtsprechung, dass Väter ihre Kinder nur an zwei Wochenenden pro Monat sehen können, also monatlich vier Tage. Selbst dann, wenn die sogenannte gemeinsame Obsorge festgelegt wurde. Dass Kinder abwechselnd eine Woche bei der Mutter und dann eine Woche beim Vater wohnen, können Eltern zwar privat untereinander vereinbaren, per Gerichtsbeschluss kann eine solche Regelung in Österreich aber nie festgelegt werden. Auch hier sieht Täubel-Weinreich Änderungsbedarf. Diese "Halbe-Halbe"-Regelung müsse auch nach dem Gesetz durchführbar sein.
Allerdings solle das im Einzelfall möglich sein, nicht als Regelfall, so die Sprecherin der Familienrichter. Ihre Überlegungen sollen in einer Woche bei einer Familienrichtertagung diskutiert werden, Ende Juni folgt eine Enquete des Justizministeriums.
"Gemeinsame Obsorge"
Gemeinsame Obsorge bedeutet gemeinsame Entscheidungen z.B. über Schulwahl und Wohnort der Kinder. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner setzt sich für die Gemeinsame Obsorge ein. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass geschiedene Väter ihre Kinder öfter sehen dürfen als bisher. In den meisten Fällen bekommen die Väter vor Gericht nur ein 14-tägiges Besuchsrecht - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Höhe der Alimente-Zahlungen.
Psychische Probleme bei Kindern
Was sich Täubel-Weinreich auch erhofft, ist mehr Aufklärung für Eltern darüber, wie Kinder auf Trennungen reagieren können: "Die Kinder werden in der Schule schlechter, sind irgendwie anders, wenn sie vom anderen Elternteil nach Hause kommen. Kleine Kinder fangen zum Bettnässen an und weinen." Diese Irritationen beim Kind würden die Elternteile unterschiedlich auslegen, und zwar so, dass sie sich gegenseitig die Schuld am Verhalten des Kindes geben. Aus dieser Eskalationsspirale gelte es auszubrechen. Denn meist seien die Trennung und der Streit zwischen den Eltern der Grund für die Probleme der Kinder.