Leidenschaft für die Zeit

Porträt Claudio Magris

Vor zwölf Jahre haben die Salzburger Festspiele damit begonnen, auch Schriftstellern Programmaufträge zu erteilen. Die jeweiligen "Dichter zu Gast" programmieren die Veranstaltungen nach eigenem Gutdünken und können ihrerseits Gäste einladen.

Den Anfang machte 1998 Elfriede Jelinek, es folgten unter anderem Christoph Ransmayr, Christa Wolf oder - zuletzt - Daniel Kehlmann. Heuer ist der italienische Autor und Germanist Claudio Magris als "Dichter zu Gast" in Salzburg.

Kulturjournal, 02. 08.2010

Die richtigen Worte und passenden Bilder

Man kann sich den heute 71-jährigen Claudio Magris sehr gut als mitreißenden Universitätsprofessor vorstellen. Wenn Claudio Magris etwas erklärt, dann versteht man ihn. Er findet die richtigen Wörter, die passenden Bilder. Und er findet jenen Ton, der beim Zuhörer Interesse und - mehr noch - Begeisterung weckt.

Kein Wunder also, dass Claudio Magris auch ein Liebling der Medien ist. In seiner Funktion als "Dichter zu Gast" will der ausgewiesene Österreich-Kenner Claudio Magris mit dem Festspiel-Publikum seine Leidenschaft für Zeitgeschichte teilen. Sein Credo: alles, was in der Vergangenheit wichtig war, wirkt bis heute.

Anerkannter Gelehrter

Claudio Magris stammt aus Triest, er wuchs in einer gebildeten und politisch interessierten Familie auf und war ein wissenschaftlicher Senkrechtstarter. Seine Doktorarbeit über den "habsburgischen Mythos in der österreichischen Literatur" machte Claudio Magris mit 24 Jahren zum anerkannten Gelehrten.

Erst Jahre später begann er, erzählende Literatur zu schreiben. Als Meisterwerk gilt der Roman "Blindlings", der 2007 in der deutschen Übersetzung erschienen ist. Seither gilt Magris auch als Kandidat für den Literaturnobelpreis. Als Schriftsteller schätzt Claudio Magris, dass man durch Worte gegen das Vergessen anschreiben kann.

"Moralische Verpflichtung" Politik

Auch politisch ist Claudio Magris engagiert. In den 1990er Jahren saß er als unabhängiges Mitglied eines Linksbündnisses für die Region Triest im römischen Senat. Heute bereue er dieses Intermezzo, sagt Magris. Er habe für die aktive Politik keine Leidenschaft. Das beträfe sogar seine politischen Kolumnen, die er regelmäßig für die Tageszeitung "Corriere della Sera" schreibt. Sein politisches Engagement empfinde er vielmehr als moralische Verpflichtung.

Textfassung: Ruth Halle