Betroffen sind vor allem Burschen
Schlechte Noten durch Gewaltspiele
Wenn Jugendliche Gewaltspiele spielen, kann das höchst negative Folgen auf ihren Schulerfolg haben. Untersuchungen haben ergeben, dass Gewaltspiele nicht nur die Gewaltbereitschaft steigern, sondern auch die Konzentrationsfähigkeit dauerhaft verringern.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 23.8.2010
Töten wirkt sich auf die Psyche aus
Je mehr Zeit Kinder und Jugendliche mit Medienkonsum verbringen, je brutaler die Inhalte sind, desto schlechter fallen die Schulnoten aus. Dieser Zusammenhang habe sich in einer Vielzahl von Studien ergeben, sagt der Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, Christian Pfeiffer.
Die gravierendsten Auswirkungen haben Gewaltspiele: "Wenn man aktiv in der Rolle des Tötens ist, der jubelnde Sieger, der möglichst viele schnell getötet hat, das wirkt sich auf die Psyche auf Dauer aus. Wer ständig und immer wieder solche Spiele spielt, verändert sich psychisch, wird auch in der Schule immer schlechter und von daher wird er ein Außenseiter."
15 Prozent zeigen Suchtverhalten
Das kriminologische Institut Niedersachsen hat 45.000 Jugendliche in Deutschland befragt. Ein Ergebnis: 50 Prozent der Zehnjährigen spielen gelegentlich Spiele, die erst ab 18 zugelassen sind. 15 Prozent der 15-Jährigen zeigen Anzeichen für Suchtverhalten. Betroffen sind vor allem Buben. Das zeigt auch eine kleinere Untersuchung in Österreich: demnach spielen nur neun Prozent der 16-jährigen Mädchen brutale Video- und Computerspiele, aber 60 Prozent der gleichaltrigen Burschen.
Leistungsdiskrepanz zwischen den Geschlechtern
"Im Ergebnis haben wir beispielsweise beim Abitur in Deutschland 117.000 männliche Absolventen im Vorjahr gehabt, aber 149.000 weibliche", sagt Christian Pfeiffer, "wir haben eine wachsende Leistungsdiskrepanz. Nicht nur in Deutschland, sondern in allen Industrieländern. Warum? Weil die Burschen viel stärker in die brutalen Medieninhalte einsteigen, als die Mädchen das tun. Eigentlich können wir uns das gar nicht leisten, dass wir dermaßen starke Wegbrüche von männlichen jungen Leuten haben, die eigentlich das Abitur schaffen könnten, aber hinter ihrem Leistungsniveau zurück bleiben, weil sie zu viel Zeit mit Computerspielen verschwenden."
Spiele verstärken Jugendgewalt
Unabhängig von langfristigen Wirkungen und Suchtverhalten ist außerdem nachgewiesen: die Konzentrationsfähigkeit sinkt unmittelbar nach dem Konsum von brutalen Filmen und noch mehr von brutalen Computerspielen. Und diese reduzieren die Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden, erklärt Pfeiffer. Je mehr brutale Medien man an sich heran lässt, desto mehr baut man Empathie und Mitleidsfähigkeit mit leidenden Opfern ab, so der Experte: "Wenn Sie dann wütend sind, aus irgendwelchen realen Lebensgründen, fehlen die Hemmungen, das Böse auch zu tun und dadurch sind brutale Medien auch ein Verstärkungsfaktor der Jugendgewalt."
Die Wissenschaft hat übrigens auch nachgewiesen, was am besten hilft, die Konzentrationsfähigkeit und die Schulleistungen zu erhöhen: Sport und Bewegung sei es.
"Wichtig ist, dass keine Spiele gespielt werden, die für das Alter einen zu hohen Gewaltanteil haben."
Bildungspsychologin Christiane Spiel im Gespräch mit Christl Reiss.
Aufklärung an Schulen gefragt
Die österreichische Bildungspsychologin Christiane Spiel hat gemeinsam mit dem Bildungsministerium eine Studie über Aggressionspotential von Jugendlichen - auch im Zusammenhang mit Computerspielen - erstellt und Strategien zur Gewaltvermeidung erarbeitet. Dabei geht es einerseits im Information und Aufklärung für alle Bevölkerungsgruppen. Zweitens sei es wichtig, jene Gruppen miteinander zu vernetzen, die schon jetzt im Bereich der Gewaltprävention aktiv sind.
Besonders wichtig sei es auch, im schulischen Bereich etwas zu unternehmen: "Es hat sich gezeigt, dass Einzelmaßnahmen relativ wenig Nachhaltigkeit haben", so die Expertin, "daher ist es ganz wichtig, dass Schulen als ganze etwas tun und Eltern, Lehrer und alle Schüler und Schülerinnen eingebunden sind. Und dass das nicht nur an einzelnen Schulen geschieht, sondern österreichweit." In Schweden und Kanada etwa sei das bereits geschehen und habe sich bewährt.
Nicht nur negativ sehen
Heutzutage würden nahezu 100 Prozent aller Kinder und Jugendlichen irgendeine Art von Computerspielen spielen, erklärt Christiane Spiel. Das sei an sich auch nicht weiter tragisch. Manche Spiele könnten sogar positive Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit und den Ehrgeiz von Jugendlichen haben: "Wir wissen aus Studien, dass das häufigste Motiv ist, dass ich eine Leistung erreiche. Dass ich in einem Wettbewerb erfolgreich bin. Das ist nicht negativ. Wichtig ist aber, dass man darauf achtet, dass keine Spiele gespielt werden, die für das Alter des Kindes einen zu hohen Gewaltanteil haben."
Es gibt ein europaweites Bewertungssystem, PEGI, das Spiele nach seiner Eignung für bestimmte Altersgruppen einteilt. Darauf sollten Eltern achten, sagt Spiel: "Denn wenn Kinder Spiele spielen, die nicht für ihr Alter geeignet sind, dann wissen wir auch aus Studien, dass diese Kinder ein höheres Aggressionspotential im Alltag zeigen." Es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem eigenen Gewaltverhalten von Kindern und Jugendlichen und dem Konsum von gewalthaltigen Spielen.