Harri Stojka an den Wurzeln der Romakultur

Gypsy Spirit

Am 3. September 2010 kommt "Gypsy Spirit" in die Kinos, ein Dokumentarfilm des österreichischen Regisseurs Klaus Hundsbichler. Der Film begleitet den Musiker Harri Stojka in den indischen Bundesstaat Rajastan; dort sucht er nach seinen musikalischen und kulturellen Wurzeln als Rom.

Dorothee Frank hat mit Harri Stojka über seine Reise zu indischen Gipsies gesprochen - und ihn nach seiner Meinung zu den Roma-Abschiebungen aus Frankreich gefragt. Zuerst geht es aber um den Film - "Gypsy Spirit".

Kultur aktuell, 01.09.2010

Indische Gypsy-Musik trifft europäische Romamusik

Die europäischen Roma und Sinti sind wahrscheinlich vor mehr als tausend Jahren aus Indien aufgebrochen. Im indischen Bundesstaat Rajastan leben nach wie vor Gruppen, die sich selbst als "Gypsies" bezeichnen. Der Gitarrist Harri Stojka hat unter ihnen Spitzenmusiker ausfindig gemacht. Zusammen mit dem Geiger Mosa Sisic besuchte er sie und spielte mit ihnen ; der Musikfilm "Gypsy Spirit" dokumentiert solche Sessions. Die dabei entstehende Mischung klingt manchmal mehr indisch, manchmal mehr nach Gypsy-Jazz.

Harri Stojka wollte herausfinden, ob es zwischen seiner eigenen Musik und indischer Gypsymusik tatsächlich noch Gemeinsamkeiten gibt: "Wenn ich Jazz spiele, dann nicht", sagt er, "wenn ich unsere Romamusik spiele, dann sehr wohl. Vom Anspruch an die Virtuosität her, und vor allem von den Tonleitern her habe ich sehr viele Übereinstimmungen gefunden."

Kulturelle Übereinstimmungen nach mehr als 1000 Jahren Trennung

Noch stärker sind die Ähnlichkeiten zu Romastilen aus den Balkanländern. Es ist faszinierend, in dem Film zu erleben, dass indische Gypsymusik manchmal ähnlich groovt und ähnliche Farben hat wie zum Beispiel südrumänische Romamusik. Auch Gesichter und Kleidung erinnern oft überraschend an die europäischer Roma. Das gilt auch für die traditionelle Lebensform in beruflich spezialisierten Clans, erzählt Klaus Hundsbichler, der Regisseur von "Gypsy Spirit": "Manche sind nur Goldschmiede, manche sind nur Musiker und Tänzer, andere sind - was es auch noch immer gibt - Schlangenfänger, oder Kamelhändler. Das ist dann jeweils eine in sich geschlossene Gruppe".

Leben auf dem "Dorfplatz"

Harri Stojka hat sich bei indischen Gypsies manchmal an seine eigene Jugend erinnert gefühlt: "Mein Großvater hat in einem Wohnwagen gewohnt. Auf einem freien Platz in Wien-Floridsdorf ist die Familie immer zusammengekommen, hat auf dem Platz vor dem Wohnwagen gegessen, getrunken, gefeiert - und das habe ich in Indien in den Dörfern auch gefunden. Auf dem Hauptplatz im Dorf hat sich alles gesammelt, die Leute habe dort ihre Musik gemacht, haben uns Tee angeboten, und das hat mich schon sehr erinnert an das Leben der Roma in Wien, wie es damals in den 60er Jahren war."

Nach der Reise lud Harri Stojka einige der indischen Gypsymusiker zu gemeinsamen Konzerten in Wien ein. Einmal holte er auch eine junge rumänische Partie dazu; da stellte sich heraus, dass einer der Rumänen Lieder aus Bollywood-Filmen nachsingen konnte. In Rumänien sehen sich immer mehr Roma indische Filme an und interessieren sich auch sonst für ihre Wurzeln auf dem Subkontinent. Sicher ein wichtiger Beitrag zum Selbstbewusstsein - in Zeiten, wo Roma durch Abschiebungen aus Frankreich an den Pranger gestellt werden.

Harri Stojka zu den Roma-Abschiebungen aus Frankreich

In Europa hätten 90 Prozent der Roma Jobs, sagt Harri Stojka, zahlten Steuern, seien manchmal wohlhabend. Diejenigen, die im Elend lebten, würden von der Politik alleingelassen. Er pocht aber auch auf mehr Eigeninitiative: "Man muss kämpfen für seine Existenz! Ich kann ja nicht sagen, 'es gibt keine Jobs, ich kann jetzt nichts tun' - man muss kämpfen! Ich habe genau so gekämpft für meinen Status. 'Geh nach Westen, Junge, such Dein Glück', hat mein Vater immer gesagt."

Genau das tun Roma, die in Frankreich ihr Glück versuchen. Harri Stojka zu den Abschiebungen: "Für mich aus der Ferne gesehen ist es ein humanitäres Verbrechen, das sofort aufhören muss. Wir müssen Solidaritätsaktionen starten, es kommt jetzt am 4. September eine Demonstration in Wien, und da werde ich sicher dabei sein, und ich möchte auch alle, die mich jetzt hören, aufrufen dazu. Was wir Musiker tun können: Benefizkonzerte spielen, ich werde auch spenden, soweit es geht, aber mehr kann ich auch nicht tun."

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