Barrieren um Roma-Siedlungen

Slowakei "mauert" gegen Roma

In immer mehr Städten in der Slowakei lässt die slowakische Bevölkerungsmehrheit Mauern als Barrieren zu Roma-Siedlungen errichten. Jüngstes Beispiel ist eine erst vor wenigen Tagen aufgestellte Mauer in der ostslowakischen Stadt Presov. Sie soll die Kleinkriminalität verringern, die den Roma zugeschrieben wird.

Mittagsjournal, 15.09.2010

Schutz oder Rassismus?

Die Mauer soll die Bewohner schmucker Einfamilienhäuser vor Kleinkriminalität einer nahegelegenen Roma-Siedlung schützen, die die Stadt Presov vor zehn Jahren für schwer integrierbare Roma erbaute. Weitere Mauern gibt es in den Gemeinden Michalovce, Orovany und Trebisov. Während Menschenrechtsorganisationen und Medien von Rassismus sprechen, sehen die Stadtverwaltungen darin eine notwendige Maßnahme zum Schutz der alteingesessenen Anrainer.

Sozialwohnungen für Roma

In Presov verursacht die nur sechs Meter lange und knapp zwei Meter hohe Mauer erheblichen Aufruhr: Es gibt deswegen immer wieder Streit. Dabei haben es die Stadtväter von Presov eigentlich immer nur gut gemeint. Vor zehn Jahren haben sie ein altes Ziegelwerk niedergerissen und einen Plattenbau-Komplex mit knapp 200 durchschnittlich 40 Quadratmeter großen Sozialwohnungen für schwer integrierbare Roma gebaut. Angesiedelt wurden jene Familien, die wenig bis keine Schulbildung und daher auch keine Chance auf Arbeit haben.

15 Roma pro Wohnung

Alle Roma, die heute in dem Komplex wohnen, sind schon aus früheren Wohnungen delogiert worden, weil sie lange keine Miete bezahlt hatten. Gedacht war die Wohnhausanlage für 800 bis 1.000 Menschen, mittlerweile leben mehr als 2.000 Personen hier. Die meisten sind illegal zu ihren Verwandten oder Freunden zugezogen. In vielen dieser Kleinwohnungen drängen sich inzwischen bis zu 15 Roma. Und im Hof der Anlage tummeln sich dutzende schulpflichtige Kinder.

Klagen über Kleinkriminalität

Alle Roma in der Wohnanlage bekommen Sozialhilfe, das sind rund 250 Euro pro Monat, viele helfen sich mit kleineren Diebstählen und fallweise auch Einbrüchen über die Runden. Die Leidtragenden sind die Anrainer, wie etwa Frantisek Kubica: "Es sind Kleinigkeiten, die mir gestohlen wurden. Aber sie sind mir auch in die Wohnung eingebrochen und haben mir alle möglichen Metallgegenstände gestohlen. Werkzeuge, die ich als Maschinenschlosser gebraucht habe und die ich teilweise noch von meinem Großvater hatte."

Mauerbau im Wahlkampf

Der Bürgermeister von Presov, Pavel Hagyari, wurde jahrelang mit Petitionen bestürmt, endlich zu handeln und eine Mauer zu bauen. Nach längerem Zögern aber doch zeitgerecht vor den Kommunalwahlen im November ist er dem Wunsch nachgekommen. "Die Kleinkriminalität ist das Problem, es sind die kleinen Diebe, die Obst und Gemüse aus den Gärten stehlen, es gibt da wirklich Probleme mit den jungen Zigeunern. ich glaube, dass wir die Kriminalität jetzt mit der Mauer um die Hälfte reduzieren können."

Neue Spannungen

Viele Roma der Wohnhauslage fühlen sich durch die Mauer pauschal verurteilt: "Wenn sie eine Mauer haben wollen, na bitte, jetzt haben sie eine, mich stört sie nicht. Aber eines muss ich schon sagen, nicht jeder von uns macht Unfug, aber sie werfen alle in einen Topf und das ist nicht fair."

Und die Kindergärtnerin Edita Kovarschova fürchtet, dass künftig wieder weniger Roma-Kinder zu ihr kommen, weil der Umweg für die Kleinen zu groß ist. "Ich bin nicht glücklich mit der Mauer, weil sie den Kindern den Weg in den Kindergarten erschwert. Wenn es jetzt kalt wird und es schneit, werden sie nicht den Umweg gehen wollen. Wir haben so viel Mühe aufgewandt, die Kinder und vor allem die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kleinen in den Kindergarten zu schicken und jetzt wo uns das gelungen ist, wird uns eine neue Barriere aufgestellt."

Ob die kleine Mauer in Presov die Probleme der Anrainer mit kriminellen Roma-Jugendlichen löst, ist mehr als fraglich. Sicher ist nur, dass sie neue Spannungen erzeugt hat.

Hinweis:

ORF 2 widmet sich am 15.9.2010 ebenfalls den Roma und dem Umgang mit dieser Minderheit, in ZiB 2, Weltjournal und Club 2