Ausweisung von EU-Bürgern soll erleichtert werden
Frankreich: Debatte über neues Ausländergesetz
Während die EU prüfen will, ob die Gruppenabschiebungen von Roma aus Frankreich rechtmäßig waren, wird in Paris über eine Verschärfung des Ausländergesetzes debattiert. Der Gesetzentwurf enthält auch Paragraphen, die eindeutig auf Roma aus EU-Ländern gemünzt scheinen. Kritiker werfen Präsident Sarkozy Stimmenfang am rechten Rand vor.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 29.09.2010
"Zunehmende Stigmatisierung“
Dieses Gesetzesvorhaben habe ein zentrales Ziel, sagte der französische Immigrationsminister Besson zum Auftakt der Debatte: Es solle den Grundstein einer europäischen Einwanderungspolitik legen.
Damit versuchte der Immigrationsminister Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese meinen, das Gesetz sei ein weiteres Zeichen für die zunehmende Stigmatisierung von Ausländern und für eine repressive Law and Order-Politik. Der sozialistische Fraktionschef Ayrault entgegnete: "Alle demokratischen Länder haben eine Einwanderungspolitik. Die Frage ist aber: Wie macht man sie? Mit politischen Hintergedanken und dem Willen, einzelne zu stigmatisieren und Angst zu verbreiten? Oder will man das Problem lösen?"
Eigene Roma-Paragraphen?
Der Gesetzentwurf enthält auch Paragraphen, die eindeutig auf Roma aus EU-Ländern gemünzt scheinen. EU-Bürger sollen abgeschoben werden können, wenn sie das dreimonatige Bleiberecht durch mehrfaches Ein- und Ausreisen missbrauchen, wenn sie für das Sozialsystem eine zu große Belastung darstellen und wenn sie kriminell werden. Immigrationsminister Besson: "Das ist nicht, wie gesagt wurde, eine exzessive Maßnahme auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, sondern schlicht die Übertragung der europäischen Direktive vom 19 April 2004."
Kritik von Menschenrechtsgruppen
Während der Debatte hatten über ein Dutzend Menschenrechtsorganisationen zu einer Demonstration vor dem Parlament aufgerufen. Ein Vertreter der Flüchtlingshilfsorganisation CIMADE: "In der europäischen Richtlinie sind Garantien enthalten, die in diesem Gesetz nicht vorkommen. Man nimmt aus dem europäischen Werkzeugkasten, was einem gefällt. Konkret handelt es sich um eine echte Verschärfung der Gesetzgebung, die das Schicksal der Ausländer in Frankreich sehr konkret verändern wird."
Staatsbürgerschaft entziehen
Ein Punkt ist dabei besonders umstritten: Das neue Ausländergesetz soll es ermöglichen, eingebürgerten Franzosen, die mit Waffengewalt gegen Amtspersonen vorgehen, die Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen. "Als gut integrierter Franzose schießt man nicht auf Polizisten", meint der konservative Abgeordnete Thierry Mariani.
"Stimmenfang im rechten Lager"
In den Augen der Opposition und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen hat dieses neue Ausländergesetz vor allem ein Ziel: auf Stimmenfang im äußerst rechten Lager zu gehen. Und selbst aus konservativen Reihen kommt Widerspruch. Etuienne Pinte, Abgeordneter aus Versailles und Vertrauter von Premierminister Fillon, sagt: "Ich stehe diesem Gesetzesvorhaben sehr abgeneigt gegenüber, es stellt öffentliche und individuelle Freiheiten in Frage." Er könne als selbst eingebürgerter Franzose nicht mit dieser Maßnahme einverstanden sein.