Preis geht erstmals an Schweizer Buchveröffentlichung

Melinda Nadj Abonji erhält Deutschen Buchpreis

Die Schweizer Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji erhält für ihren Roman "Tauben fliegen auf" den Deutschen Buchpreis. Dies gab die Jury am Montagabend in Frankfurt bekannt. Im Finale um die beste literarische Neuerscheinung setzte sich Abonji damit überraschend gegen fünf andere Romane durch.

Kultur aktuell, 05.10.2010

Preis erstmals an Schweizer Buch

Erstmals überhaupt ging damit die literarische Auszeichnung mit der größten Publikumsresonanz in Deutschland an ein Buch aus der Schweiz, das allerdings in einem österreichischen Verlag (Jung & Jung) veröffentlicht wurde. Die 42-jährige Abonji, deren Muttersprache Ungarisch ist, stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Im Finale setzte sie sich überraschend gegen fünf weitere nominierte Romane durch.

"Ich danke der Jury, dass Sie gelesen hat und nicht bereits gesetzte Namen bestätigt hat", sagte sie mit zittriger Stimme bei der Verkündung im Römer (Rathaus).

Europa im Aufbruch
Im autobiografischen Roman der Autorin geht es um die Geschichte einer ungarischen Familie aus der serbischen Vojvodina, die in die Schweiz übersiedelt und sich dort eine Existenz in der Gastronomie aufbaut. Mit großem Einfühlungsvermögen zeichne das Buch "das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat", begründete die Jury ihre Wahl.

Die Auszeichnung ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert. Sie wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Vorabend der Frankfurter Messe vergeben.

Britisches Vorbild

Der Deutsche Buchpreis wurde vor sechs Jahren vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels geschaffen. Damit wird am Vorabend der Frankfurter Buchmesse der beste deutschsprachige Roman des Jahres ausgezeichnet. Der Preis orientiert sich am britischen Man Booker Prize und dem französischen Prix Goncourt. Ziel der Auszeichnung ist es, über Deutschland hinaus Aufmerksamkeit für die zeitgenössische deutschsprachige Literatur zu schaffen.

Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz können sich mit aktuellen Romanen um die Auszeichnung bewerben. Die Jury stellt dann aus den Einsendungen eine 20 Titel umfassende "Longlist" zusammen. Aus dieser engeren Auswahl ermitteln die Juroren sechs Titel für die "Shortlist", die immer etwa vier Wochen vor der Preisverleihung bekanntgegeben wird.

Literaturkritiker bilden Jury

In der siebenköpfigen Jury sitzen Literaturkritiker. Die Jury wird jedes Jahr neu gewählt. Diese Aufgabe hat eine vom Börsenverein eingesetzte "Akademie Deutscher Buchpreis". Diesem elfköpfigen Gremium gehören neben Vertretern der Buch- und Medienbranche auch Kultur-Staatsminister Bernd Neumann und der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, an.

Doron Rabinovici unter Finalisten

Abonji, die auch Musikerin ist, zählte unter den sechs Finalisten zu den Außenseitern. Als einer der Favoriten galt Peter Wawerzinek mit seinem Roman "Rabenliebe", in dem er sich sein Kindheitstrauma von der Seele schrieb. Der Berliner Autor war einst von seiner Mutter bei deren Flucht in den Westen als Waise in der DDR zurückgelassen worden. Auch Thomas Lehr mit seinem ehrzeigen Romanprojekt "September. Fata Morgana" waren gute Chancen eingeräumt worden.

Nominiert waren außerdem Jan Faktors Schelmenroman "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag", Doron Rabinovici mit seiner jüdisch-wienerischen Tragikomödie "Andernorts" und Judith Zander mit ihrem Epos "Dinge, die wir heute sagten" aus der ostdeutschen Provinz.

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