"SMS von Marek" ein Aufruf zum Wahlbetrug?

ÖVP wirbt nach der Wahl um Wahlkarten

In Zeitungsinseraten ruft die bei den gestrigen Wahlen auf einen historischen Tiefststand abgestürzte ÖVP dazu auf, jetzt noch Wahlkarten abzuschicken. Von einem Aufruf zum Wahlbetrug will die ÖVP nichts wissen und spricht von einem Irrtum.

Mittagsjournal, 11.10.2010

Zweideutige Aufforderung

In der Montagsausgabe der Tageszeitung "Die Presse" wirbt ÖVP-Spitzenkandidatin Christine Marek mit einem Inserat um spätentschlossene Briefwähler. In einer sogenannten "SMS von Marek" heißt es: "wien hat gewählt. aber wahlkarten können sie auch heute noch abschicken. ihre christine marek."

Die Aufforderung der ÖVP-Chefin ist einigermaßen zweideutig, besagt das Wahlrecht doch, dass die Wahlkarten bis Wahlschluss (also Sonntag 17.00 Uhr) ausgefüllt werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass Briefwähler das Endergebnis abwarten und erst danach eine (taktisch motivierte) Wahlentscheidung treffen. Kontrollieren kann das freilich niemand.

SMS-Kampagne

Schon während des Wahlkampfes hat die Volkspartei mit der „SMS von Marek“-Inseratenkampagne in Zeitungen mit kurzen Mitteilungen um Wähler geworben. Die Idee hinter der Kampagne ist es wohl, sich an der maximalen Textlänge von 160 Zeichen pro SMS zu orientieren und so kurze und prägnante Aussagen zu machen.

ÖVP: "Fehler bei Druckunterlagen"

Die Wiener ÖVP-Chefin wollte dazu selbst nichts sagen, aus ihrem Büro heißt es, es sei nicht geplant gewesen, dieses Inserat heute zu veröffentlichen. Grund dafür sei ein Fehler in den Druckunterlagen. Außerdem sei das nur der Hinweis auf die Möglichkeit, eine gestern ordnungsgemäß ausgefüllte Wahlkarte auch heute noch abschicken zu können. Das sei legal.

Grüne: "Schlägt dem Fass den Bode aus"

Die anderen Parteien sehen die "SMS von Marek" kritischer als die ÖVP, etwa Daniela Musiol von den Grünen: "Das schlägt dem Fass den Boden aus. Das ist ein direkter Aufruf, das Briefwahlrecht nicht einzuhalten, sondern nach Wahlschluss eine Stimme abzugeben. Demokratiepolitisch ist das absolut widerwertig."

FPÖ: "Das ist missverständlich"

Harald Stefan von den Freiheitlichen findet diplomatischere Worte: "Vorsichtig ausgedrückt ist das missverständlich: Es ist ja korrekt, dass man die Wahlkarten noch abschicken darf. Allerdings klingt das so, als sollte man die Wahlkarte noch ausfüllen, falls man das noch nicht getan hat. Das zeigt einmal mehr wie problematisch die Briefwahl ist."

BZÖ: "Skandalöses Verhalten"

Herbert Scheibner vom BZÖ sagt: "Dieser Aufruf zum Gesetzesbruch ist ein skandalöses Verhalten. Hier ist akuter Handlungsbedarf gegeben: Einerseits muss das jetzige Verhalten sofort abgestellt und auch geahndet werden, und andererseits muss die Briefwahl so rasch wie möglich adaptiert werden, damit dieser Gesetzesbruch nicht möglich ist."

SPÖ: "Handlungsbedarf für Gesetzgeber"

Für Josef Cap, Klubobmann der SPÖ, ist der Fall ein Anlass für eine Briefwahlreform: "Das zeigt, dass wir als Gesetzgeber Handlungsbedarf haben, denn in dem Inserat steht, dass man noch heute Wahlkarten abschicken kann. Das zeigt, dass wir insgesamt die Sicherheit bei Wahlkarten und bei der Briefwahl ändern müssen. Das werden wir im Zuge von Gesprächen auch rasch beginnen."

Mängel bei Briefwahl häufen sich

Jedenfalls reiht sich die Kritik an den ÖVP-Inseraten in das Öffentlichwerden massiver Mängel bei der Briefwahl ein: Zur Gefahr des taktischen Wählens kam zum Beispiel noch ein burgenländischer Bürgermeister, der 13 Wahlkarten selbst ausgefüllt hatte. Oder der Vorwurf des organisierten Bestellens von Wahlkarten für schwer demente Geriatriepatienten, was der Heimbetreiber bestreitet. Oder ein angebliches Wahlservice für Migranten, für die organisiert und per Vollmacht Wahlkarten bestellt worden sein sollen.

Prognose: FPÖ-Mandat an die Grünen

Bei jenen Wahlkarten, die bisher noch nicht eingetroffen sind, gibt es jedenfalls noch einiges zu holen. Das SORA-Institut hat heute eine aktuelle Wahlkartenprognose erstellt: Wegen der vielen ausgegeben Briefwahlstimmen kann sich das Wiener Wahlergebnis noch ändern. Derzeit haben die Sozialdemokraten 49 Mandate, die Freiheitlichen 28, die Volkspartei 13 und die Grünen 10 Mandate.

Das wird voraussichtlich nicht so bleiben, sagt Günther Ogris vom Sora-Institut, das für den ORF eine aktuelle Wahlkartenprognose errechnet hat: "Es ist höchstwahrscheinlich, dass die Freiheitliche Partei mindestens ein Mandat an die Grünen verliert. Wenn die FPÖ zwei Mandate verliert, dann geht dieses zweite Mandat entweder an die SPÖ oder an die ÖVP, das ist offen, das kann man nicht genauer sagen."

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