Keine Umbauten öffentlicher Gebäude
Sparbudget auf Kosten der Barrierefreiheit
Das Sparbudget bringt eine Vielzahl an umstrittenen Neuerungen. Hunderte gesetzliche Bestimmungen werden geändert. Etwa auch, dass der Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderung vorläufig aufgehoben wird und dass der barrierefreie Umbau öffentlicher Bauwerke um vier Jahre aufgeschoben werden soll. Vor allem Letzteres sorgt auch koalitionsintern für Kritik.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 29.10.2010
Die Auswirkungen des Sparbudgets,
Auf 2019 verschoben
Innerhalb von 10 Jahren sollten alle öffentlichen Gebäude und Verkehrsmittel barrierefrei und auch für Rollstuhlfahrer erreichbar sein. Das hat das Parlament im Jahr 2006 beschlossen. Das gleiche sollte auch für Unternehmen gelten, die private Dienstleistungen anbieten. Aber schon jetzt wird die Frist verlängert - statt bis 2015 soll sie nun bis 2019 gelten, kritisiert ÖVP-Behinderten-Sprecher Franz Josef-Huainig: "Jetzt zu sagen, wir schieben das hinaus auf weitere vier Jahre, finde ich ein fatales Signal". Man könne sich offenbar verlassen, dass Pensionen erhöht und Nichtraucherzonen gebaut werden, für Menschen mit Behinderungen aber gelte offenbar kein Vertrauensschutz, so Huainig. Dabei würde Barrierefreiheit auch älteren Menschen und Eltern mit Kinderwagen helfen.
Behindertenanwalt empört
Aus dem Büro von Sozialminister Rudolf Hundstorfer heißt es, Umbau-Maßnahmen für Barrierefreiheit, die weniger als 10.000 Euro kosten, müssten weiterhin schon bis 2015 erfolgen. Aber dennoch übt auch Erwin Buchinger, früher SPÖ-Sozialminister und jetzt Behindertenanwalt im Sozialministerium scharfe Kritik: "Ich finde dieses Ansinnen empörend, es handelt sich beim barrierefreien Zugang um ein Menschenrecht."
Kündigungsschutz aufgehoben
In den Budgetbegleitgesetzen geplant ist auch, dass der Kündigungsschutz bei Neuanstellungen von Behinderten für drei Jahre vorläufig aufgehoben wird. Das ist laut Sozialministerium auch mit den Sozialpartnern akkordiert. Der Kündigungsschutz für bereits bestehende Anstellungen bleibt erhalten. nach zwei Jahren soll evaluiert werden, welche Auswirkungen das Aussetzen des Kündigungsschutzes hat. Behindertenanwalt Buchinger ist nicht einverstanden: "6.000 begünstigte Behinderte beginnen jedes Jahr ein Beschäftigungsverhältnis. Wenn man für zwei Jahre diesen besonderen Kündigungsschutz aufhebt, heißt das, dass man 12.000 begünstigte Behinderte eigentlich zum Experimentierfeld macht. Das haben sie nicht verdient. Ich halte diese Maßnahme für überschießend."
ÖVP-Behindertensprecher Huainig hingegen sieht die Aufhebung des Kündigungsschutzes auch als seinen Erfolg. Der Kündigungsschutz habe Neuanstellungen behindert, sagt Huainig sinngemäß: "Dadurch haben sehr viele behinderte Menschen keinen Job bekommen oder schlechtere Chancen gehabt am Arbeitsmarlt, weil Unternehmer sagen, wenn ich jemanden anstelle und es nicht funktioniert, kann ich ihn nicht mehr kündigen."
Sparpaket nicht ausgewogen
Einer Meinung sind sich Huainig und Buchinger, dass das Sparpaket insgesamt nicht ausgewogen sei. Stichwort. Kürzungen beim Pflegegeld. Buchinger: "Das gesamte Paket hat eine deutliche Schlagseite zu Lasten von sozial schwachen Menschen." Huainig: "Es ist schon ein Ungleich-Verhältnis, wenn die Pensionen um 300 Millionen erhöht werden und in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Familien 300 Millionen gespart werden."
Im Pflegebereich, so Huainig vermisse er gemeinsame strukturelle Reformen von Bund und Ländern und die Einrichtung eines Pflegefonds.