"Unberufene sollen schweigen"
Vranitzky gegen Krisengerede
In der Diskussion über Finanzhilfe für schwächelnde EU-Mitglieder ruft Altbundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) zu einer sachlichen Diskussion auf. Nur verantwortliche und kompetente Stimmen sollten sich zu Wort melden, so Vranitzky am Rande einer Veranstaltung in Wien.
8. April 2017, 21:58
"Finanzmärkte brauchen Kontrolle"
Altbundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) im Interview am 25.11.2010 mit
Unberufene sollen schweigen
Vranitzky ruft dazu auf, dass sich "nicht alle fünf Minuten irgendwo in der EU jemand zu Wort meldet und irgendeiner Währung, irgendeinem Staat etwas Fürchterliches prophezeiht." Denn das seien "nicht alle wirklich berufene Leute". Sein Appell: "Lasst die Leute reden, die verantwortlich sind, die davon etwas verstehen. Das ist der EZB-Präsident, das sind die Finanzminister, das ist (der Vorsitzende der Euro-Gruppe) Jean-Claude Juncker, und sonst schon niemand. Die anderen sollen sich zurückhalten." Die Lage sei ernst, aber sie werde nicht besser, indem sich "Unberufene ununterbrochen zu Wort melden."
Finanzmärkte brauchen Kontrolle
Die Ursache der Misere, so Vranitzky: Die Finanzwirtschaft habe sich im vergangenen Jahrzehnt "verselbständigt" und eine dominierende Rolle über die Güterwirtschaft erlangt. Nun müsse man dagegen kämpfen, dass sich dieser Prozess noch weiter ausdehnt, und Regulative schaffen, um ein "Minimum an Kontrolle" über die Finanzmärkte zu erreichen.
Austritt keine Lösung
Der von manchen diskutierte Austritt aus der Eurozone wäre nach Ansicht Vranitzkys theoretisch möglich, "aber ich würde es nur niemandem empfehlen". Das wäre wie "ohne Schwimmreifen und Neoprenanzug in den kalten Ozean zu springen".
Franz Vranitzky, ehemaliger Bankenchef, Ex-SPÖ-Finanzminister und Bundeskanzler von 1996 bis 1997, hat den EU-Beitritt Österreichs und auch den Beitritt zur Euro-Zone mitverhandelt. Das "Vranitzky Kolloquium" hatte für diesen Donnerstag anlässlich seines siebenjährigen Bestehens zu einem Symposium unter dem Titel "Die Ära Vranitzky: Ihre Wirtschafts- und Europapolitik im Vergleich zu heute" geladen.