Klimaschutzkonferenz in Cancun

EU: Klimaschutz im Alleingang möglich?

Bei der Klimakonferenz im mexikanischen Cancun wird auch diesmal wieder kein internationales Klimaschutzabkommen beschlossen werden, zu dem sich alle Länder verpflichten. Die EU steht im Kampf gegen den Klimwandel zunehmend allein da, und wird sich in Zukunft mit der Frage beschäftigen müssen, wie man das Klima schützen kann, ohne dabei die Wirtschaft zu schädigen.

Morgenjournal, 4.12.2010

Klimaschutzauflagen als Wettbewerbsnachteil

Die Europäische Union betreibt weiterhin Klimaschutz, aber kaum ein anderes Land weltweit macht mit: Dieses Szenario könnte eintreten, wenn beim derzeitigen Klimagipfel in Cancun oder bei jenem, der nächstes Jahr in Südafrika stattfindet, kein Durchbruch gelingt. Aber soll sich die EU auf dieses Szenario wirklich einlassen? Die Umweltschutzorganisationen sagen ja, Industriebetriebe hingegen protestieren heftig. Die hohen Kosten zusätzlicher Klimaschutzauflagen wären ein enormer Nachteil im internationalen Wettbewerb. Für manche Branchen trifft dieses Argument sicher zu, meint der Grazer Umweltökonom Karl Steininger: "Das ist sehr stark die energieintensive Grundstoffindustrie, einerseits Eisen und Stahl, andererseits Papier und drittens der Chemiesektor, beispielsweise auch Baumaterialen wie Zement. Bei diesen Materialen zahlt es sich aus, sie über große Distanzen zu transportieren, wenn man damit die Zusatzkosten umgehen kann. Es sind nur einige wenige Industrien, aber da muss man darauf achten, dass man sich nicht selbst anlügt, indem man diese Industrien durch strikte Umweltpolitik aus dem Inland vertreibt, aber dann aus dem Ausland importiert. Denn dann haben wir nur einen wirtschaftlichen Schaden, ohne umweltpolitisch etwas gewonnen zu haben."

Saubere Produktion, klimafeindlicher Konsum

Dass jene Industrien, die besonders viele Treibhausgase ausstoßen, in Schwellenländer abwandern, ist jetzt schon Realität. Grund dafür waren zumindest bisher allerdings weniger allzu strikte Umweltauflagen, sondern andere Standortvorteile, wie zum Beispiel niedrigere Lohnkosten in Asien. Die Verlagerung der Grundstoffindustrie hat Folgen für die Treibhausgasbilanz: Die Produktion in Europa ist sauberer geworden, aber das heißt noch lange nicht, dass auch unser Konsum sauberer geworden ist. Die schmutzigen Produkte, die wir konsumieren, werden in China, den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion oder anderen Schwellenländern produziert und dann importiert. Für Österreich gilt zum Beispiel, dass die Treibhausgasemissionen, die wir durch unseren Konsum verursachen um knapp die Hälfte höher sind als jene, die durch Produktion in Österreich verursacht werden und die dann auch in der offiziellen österreichischen Emissionsbilanz aufscheinen, sagt der Ökonom Steininger. "Wenn wir Klimaschutz nur in der Produktion und nicht auch im Konsum schaffen, dürfen wir uns nicht als Vorreiter im Klimaschutz bezeichnen", meint Steininger.

Frankreich und Italien fordern Importzölle

Ein Beitrag zum Klimaschutz wäre die Reduktion von Beton und Zement im Bauwesen, oder weniger Stahl bei der Produktion von Fahrzeugen. In welchem Land diese Grundstoffe erzeugt werden, ist hingegen für das weltweite Klima unerheblich, sagt Steininger. Nicht unwichtig ist die weltweite Verlagerung der Produktion hingegen für die europäische Industrie: "Frankreich und Italien haben die EU-Kommission gebeten, Importzölle für Produkte einzuheben, die unter weniger strikten CO2 Auflagen produziert wurden, um die heimische Industrie zu schützen." Die EU-Kommission und auch große Länder wie Deutschland sind vorerst allerdings gegen solche Kohlenstoffzölle, sagt Karl Steininger: "Es könnte sich negativ auf die Handelsbeziehungen auswirken, weil die Entwicklungsländer zurecht fürchten, dass hier Protektionismus unter dem Deckmantel des Klimaschutzes betrieben wird."

Klimaschutz im Alleingang nur Notlösung

Die EU setzt vorerst auf andere Methoden, um ihre Grundstoffindustrie zu schützen: Im Handel mit Emissionszertifikaten sollen die betroffenen Branchen ihre Zertifikate etwa weiter gratis bekommen. "Realistisch ist, dass die EU in erster Linie dort Klimapolitik betreibt, wo sie nicht gleich Wettbewerbsnachteile zu befürchten hat", sagt Steininger.

Für die Zukunft kann sich die EU-Kommission auch einen Zusammenschluss des europäischen Emissionshandelsystems mit dem anderer Länder vorstellen. Der eigentliche Wunsch Europas bleibt trotzdem ein großes internationales Abkommen. Denn Klimaschutz im Alleingang, das ist für die EU maximal eine Notlösung.

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