Wissenschafter fordert neues System

"PISA-Studie ist ausgelutscht"

Rechtzeitig vor der Präsentation der neuen PISA-Studie am 7. Dezember treten auch wieder die Kritiker der internationalen OECD-Vergleichsstudie von Schülerleistungen auf den Plan. Der Wiener Erziehungswissenschafter Stefan Hopmann sagt, PISA sei "ausgelutscht". Statt stichprobenartiger Prüfungen solle man ganze Schülergenerationen wissenschaftlich beobachten.

Mittagsjournal, 4.12.2010

"PISA technisch gut, aber unbrauchbar"

Der renommierte Wiener Erziehungswissenschafter Stefan Hopmann findet durchaus positive Worte für die PISA-Studie: "PISA ist technisch sehr gut gemacht. Die Studie liefert international relativ interessante und zuverlässige Daten, und mit PISA kann man sehr schön die Unterschiede in Kultur, Sprache und Tradition beschreiben." Das war es dann aber schon mit der frohen Botschaft. Laut Stefan Hopmann sage die PISA-Studie nichts über die Zusammenhänge von Schülerleistungen aus, das sei in einem Querschnitts-Ländervergleich gar nicht möglich.

"Wichtige Fragen unbeantwortet"

Die Studie zeige lediglich wie gut Schülerinnen und Schüler auf die Lösung von PISA-Aufgaben getrimmt worden seien, sagt Hopmann: "PISA zeigt uns, was in bestimmten Bereichen, die uns interessieren, gut oder schlecht läuft. Die Studie sagt nichts über den Bildungsauftrag der Schule und nichts darüber aus, wie das Schulsystem aufgestellt sein sollte." Vor allem werde ein entscheidendes Kriterium ausgelassen, meint Hopmann: "Das entscheidende Kriterium kann ja nicht sein, ob 15-Jährige ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger können. Die Frage ist, ob die Schullaufbahn gelingt und wie ihre Chancen am Arbeitsmarkt stehen. Zu all den Fragen sagt Pisa gar nichts."

"Schülergenerationen wissenschaftlich begleiten"

Völlig ungeeignet seien die PISA-Ergebnisse für politische Schuldzuweisungen, sagt Hopmann: "Unterrichtsminister haben daran weder Schuld, noch haben sie dazu beigetragen." Es sei unmöglich, die Spätwirkungen eines einzelnen Ministers empirisch zu erfassen. Um wirklich etwas über die Qualität eines Schulsystems und dessen Änderungsbedarf zu erheben, müsste man nicht stichprobenartig Kompetenzen abprüfen, sondern ganze Schülergenerationen wissenschaftlich beobachten und begleiten, sagt Stefan Hopmann. In Niederösterreich werde eine derartige Studie gerade durchgeführt.

"Muss das ganze Bild kennen"

Die Schule stelle nur einen sehr kleinen Teil der gesamten Lernressourcen dar. "Ich muss das ganze Bild kennen, um sagen zu können, wie man Schule positionieren muss, um einen Unterschied zu machen." So ist Professor Hopmann also einer jener Fachleute, die die PISA-Ergebnisse, wie immer sie auch ausfallen mögen, eher kalt lassen. Denn was dem Wissenschafter nichts wert ist, kann ihn auch nicht aufregen.