Vor Friedensnobelpreis-Vergabe

China verhängt Ausreiseverbot

Vor der Vergabe des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo wird das offizielle China noch nervöser. Dutzenden Menschen wurde die Ausreise verboten, um zu verhindern, dass Vertreter von Liu Xiaobo am Freitag in Oslo anwesend sind. Geboren wurde sogar die Idee eines alternativen „Konfuzius-Preises“ dessen Vergabe sich bei genauerer Betrachtung aber als eigenartig erweist.

Auch die Medienzensur in China schlägt wieder mit voller Härte zu. Wieder einmal werden ausländische Kanäle schwarz, wenn anderes als die chinesische Position zum Preis präsentiert wird. Auch das Internet ist zuletzt noch langsamer geworden.

Morgenjournal, 09.12.2010

Posse um Konfuzius-Preis

Der flammende Appell Mitte November in einer chinesischen Zeitung war nicht ohne. Ausgerechnet der Repräsentant einer Schweizer Bank in Peking zog in einem Brandbrief pauschal gegen westliche Werte her und meinte, im Namen von 1.3 Milliarden Chinesen zu sprechen, die durch den Preis an Liu Xiaobo „beleidigt“ worden sind. Ein alternativer Preis, nämlich ein Konfuzius-Preis, müsse her. Dieser solle wirklich universelle Werte, und nicht nur westliche, würdigen.

Jetzt ist die Einladung zur Vergabe dieses Preises heute Nachmittag in einem Pekinger Hotel ergangen. Aber der Mann, der ihn ins Leben gerufen hat, will plötzlich nichts mehr davon wissen. Auf Rückfrage erklärt er, dass heute nur der Anfang einer Initiative gestartet würde, von der Veranstaltung in einem Hotel wisse er nichts. Auch der Preisträger, der ehemalige taiwanesische Vizepremier Lien Chan, dürfte von seiner Ehre aus den Medien erfahren haben. Dass er heute in Peking nicht anwesend ist, versteht sich von selbst. Das chinesische Kulturministerium, das die Einladungen ausgeschickt haben soll, distanziert sich ebenfalls. Wie es um den Konfuzius-Preis jetzt steht, ist also schleierhaft. Derzeit wirkt die Initiative jedenfalls wie eine weitere Posse im Umgang mit dem Friedensnobelpreis, der an Absurdität wohl kaum noch zu überbieten ist.

Ausreiseverbot

Jeder Chinese, der es wagt, dieser Tage Richtung Europa zu fliegen, gilt als pauschal verdächtig. Getroffen hat das auch einen Schriftsteller chinesischer Herkunft. Der australische Staatsbürger, der auch in Australien lebt, wurde kürzlich auf dem Flughafen in Shanghai gestoppt und daran gehindert, nach Oslo zu weiter zu fliegen. Er kam, trotz ordentlicher Papiere, in Polizeihaft, durfte sein Konsulat nicht kontaktieren und wurde schließlich nach Australien zurückgeschickt.

Auch Künstlern, Wissenschaftlern und nicht zuletzt Menschen, die Liu Xiaobo wirklich nahestehen, erging es zuletzt genauso. Sie dürfen derzeit das Land nicht verlassen. Sie dürfen sich aber auch im Land nicht zu Gesprächen mit Ausländern treffen. Die EU-Vertretung in Peking hätte heute eigentlich zum alljährlichen Menschenrechtsseminar geladen, aber den chinesischen Gästen wurde von den Behörden nahegelegt, daran nicht teilzunehmen.

Menschenrechte auf Eis

Der Menschenrechtsdialog mit China und der EU wurde zudem auf Eis gelegt. Darüber wurde das Europäische Parlament am Montag informiert. Aber das scheint wohl niemanden gewundert zu haben. Die Nachricht darüber, dass China und die EU jetzt auch formal über die Menschenrechte nicht mehr sprechen, ging unter. Wohl weil sie nur das Abbild der Realität ist, die rund um die Vergabe des Friedensnobelpreises Einzug gehalten hat. Hier die Vertreter westlicher Werte, dort die Anhänger eines Landes, das meint, sein Rechtssystem werde zu Unrecht kritisiert und das sich durch die Auszeichnung für einen „Kriminellen“ gekränkt fühlt.

Wobei eines schon bemerkenswert ist: Den etwa 20 Staaten, die dem Boykottaufruf Chinas folgen, hat sich auch der EU-Aspirant Serbien angeschlossen. Die Trennlinie reicht offenbar bis auf den europäischen Kontinent.