Friedensnobelpreisträger immer noch in Haft
Nobelpreisverleihung 2010
Wer sie erhält weiß man seit Oktober dieses Jahres, heute werden die Nobelpreise 2010 ihren Trägern überreicht. Der chinesische Schriftsteller Liu Xiaobo kann den Friedensnobelpreis nicht entgegennehmen, da er in China wegen Regimekritik inhaftiert ist.
8. April 2017, 21:58
Bei der 1630. Verleihung der Nobelpreise fehlt ausgerechnet der Träger der angesehensten Auszeichnung: Der chinesische Menschenrechtskämpfer Liu Xiaobo sitzt in Haft, und nicht einmal seine Familie kann den Friedensnobelpreis an seiner Stelle entgegennehmen, da sie nicht ausreisen darf. Zumindest hat Chinas Aufruf zum Boykott der Zeremonie in der Weltgemeinschaft wenig Gehör gefunden - und Menschenrechtler hoffen, dass der internationale Druck auf China eine vorzeitige Freilassung von Liu Xiaobo bringen kann.
Liu Xiaobo ist im Dezember 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er sitzt im Jinzhou-Gefängnis in der Provinz Heilongjiang im fernen Nordosten Chinas und darf nur einmal im Monat von seiner Frau Liu Xia besucht werden.
Ein weinender Literaturnobelpreisträger
Den Literaturnobelpreis bekommt der 74-jährige peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Er erhält die Auszeichnung für seine "Kartographie der Machtstrukturen und scharfkantigen Bilder individuellen Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage".
Vor der Entgegennahme des Literaturpreises hat sich Mario Vargas Llosa mit einer eigenwilligen Liebeserklärung an seine Ehefrau Patricia vielleicht genauso einen Platz in den Nobel-Annalen gesichert wie mit seinen Büchern.
"Peru ist Patricia, die zierliche und temperamentvolle Cousine, mit der ich seit 45 Jahren glücklich verheiratet bin", sagte Vargas Llosa am Dienstagabend im ehrwürdigen Saal der alten Stockholmer Börse. Ein "unbezwingbarer Charakter" sei sie, rief er in Spanisch aus, und dem sonst so kühlen und abgeklärten Analytiker versagte die Stimme. Mehrfach musste er seine Rede unterbrechen, um Luft zu holen. "Ohne sie hätte sich mein Leben längst in einem chaotischen Wirbel aufgelöst", schluchzte Vargas Llosa, während die Gepriesene gerührt in der ersten Reihe saß.
Der Nobelpreis für Medizin - späte Ehrung
1978 gelang dem britischen Biologen Robert Edwards gemeinsam mit dem Gynäkologen Patrick Steptoe die sogenannte in-vitro-Fertilisation, kurz IVF. Seitdem entstammen weltweit mehr als vier Millionen Menschen dieser Methode. Vor allem die Präimplantationsdiagnostik, die Möglichkeit der Selektion der gesündesten Embryonen, bringt die Reproduktionsmedizin allerdings immer wieder in den Brennpunkt ethischer Diskussionen.
Da die IVF, vor allem aus den Reihen der katholischen Kirche, stets heftig kritisiert wurde, verstrichen mehr als drei Jahrzehnte, ehe das Nobelpreis-Komitee den mittlerweile 85-jährigen Forscher Edwards für seine bahnbrechende Arbeit auszeichnete. Dem bereits 1988 verstorbenen Mediziner Steptoe konnte posthum kein Nobelpreis zuerkannt werden.
Der Nobelpreis für Physik
Den Physiknobelpreis erhielten heuer zwei in Russland geborene Physiker, der heute niederländische Staatsbürger Andre Geim und der zum Briten gewordene Konstantin Nowoselow, die beide an der Universität Manchester arbeiten (Geim als Direktor des Zentrums für Mesowissenschaft und Nanotechnologie).
Die Auszeichnung wurden ihnen für die bahnbrechenden, das zweidimensionale Material Graphen betreffenden Experimente übergeben, einem "Wunderstoff", der als Hoffnungsträger in der Elektronik gilt, wo er einmal Silizium ablösen könnte.
Der Nobelpreis für Chemie
Den Nobelpreis für Chemie haben heuer drei Wissenschaftler erhalten: Der Amerikaner Richard Heck von der Universität Kalifornien in Los Angeles, der Japaner Ei-ichi Negishi von der Universität Pennsylvania in Philadelphia und der Japaner Akira Suzuki von der Universität Hokkaido in Sapporo. Sie haben in den 1960er und 70er-Jahren die Methode der Kreuzkupplungschemie entwickelt.
Bei ihr lassen sich durch die Hilfe von Metallionen Kohlenstoffatome leichter aneinander binden. Durch diese Technik können nicht nur natürliche komplexe organische Moleküle im Labor nachgebaut und verändert werden, es können auch neue Moleküle konstruiert werden. Heute wird das Verfahren in vielen Bereichen industriell eingesetzt. Dadurch entstehen zum Beispiel Krebsmedikamente oder Substanzen, die in besonders flachen Bildschirmen eingesetzt werden.
Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
Zwei US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und ein zypriotisch-britischer Ökonom erhielten heuer diesen Preis, der im Gedenken an Alfred Nobel gestiftet wurde: Peter Diamond vom Massachusetts Institute of Technology, Dale Mortensen von der North Western University in Evanston bei Chicago und Christopher Pissarides von der London School of Economics.
Sie erhalten den Preis für ihre Analyse von Märkten mit Friktion. Das betrifft Fragen wie: Warum können gleichzeitig Arbeitslosigkeit und offene Stellenangebote auftreten? Warum finden Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt nicht immer zueinander? Und was beeinflusst Suchprozesse auf dem Arbeitsmarkt? Damit haben die drei Forscher das theoretische Fundament für die Erklärung sogenannter "Suchmärkte", wie dem Arbeitsmarkt, formuliert.
Gestaltung: APA/Red
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