Verfassungsgericht beschränkt seine Immunität
Muss Berlusconi bald vor Gericht?
Seit Dienstag hat Italiens Verfassungsgericht über eine Entscheidung in Sachen Immunitätsgesetz beraten. Dieses umstrittene Gesetz sollte Silvio Berlusconi vor laufenden Gerichtsverfahren schützen. Jetzt haben die Richter entschieden: Sie haben die Immunität des Premiers beschränkt.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal 13.1.2011
Immunität teilweise aufgehoben
Kein eindeutiges Nein, kein eindeutiges Ja. Italiens Verfassungsrichter konnten sich offensichtlich nicht über den Umgang mit dem umstrittenen Immunitätsgesetz einigen. Also wurde es eine salomonische Lösung.
Das Verfassungsgericht in Rom hat am Donnerstag ein umstrittenes Immunitätsgesetz teilweise abgelehnt, das Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi und seinen Ministern Schutz vor Strafverfolgung gibt. Mit der bisherigen Regelung konnten Verfahren gegen Regierungsmitglieder für 18 Monate ausgesetzt werden, wenn die Betroffenen wegen ihrer Amtspflichten nicht an einem Prozess teilnehmen können.
Richter sollen entscheiden
Die Verfassungsrichter meinten, nicht der Premierminister, sondern die Richter sollten bewerten, wann ein "legitimes Hindernis" für den Ministerpräsident besteht, das ihn davon abhält, an den Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Die Regierungskoalition ist jetzt gezwungen, das umstrittene Immunitätsgesetz neu zu formulieren.
Silvio Berlusconis Sprecher Paolo Bonaiuti schloss aus, dass das Urteil des römischen Verfassungsgerichts über das Immunitätsgesetz Auswirkungen auf die Stabilität der italienischen Regierung haben könnte. "Die Regierung muss noch viele Reformen über die Bühne bringen. Das Land sieht erst jetzt einen Ausweg aus der Krise und braucht Stabilität", meinte Bonaiuti.
Die 15 italienischen Verfassungsrichter schränkten den Anwendungsbereich des Immunitätsgesetzes ein und bezeichneten die Regelung als rechtswidrig, wonach Premier Berlusconi generell nicht vor Gericht erscheinen muss. Dies widerspreche dem Prinzip der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, hieß es bei der Urteilsverkündung.
Steuerhinterziehung und Bestechung
Die Regelung erlaubte es bisher, dass Verfahren gegen Regierungsmitglieder für 18 Monate ausgesetzt werden können, wenn die Betroffenen wegen ihrer Amtspflichten nicht an einem Prozess teilnehmen können. Aus diesem Grund liegen derzeit zwei Verfahren gegen Berlusconi auf Eis. In einem Fall geht es um mutmaßliche Steuerhinterziehung, im anderen Fall um den Vorwurf der Bestechung. Die Verfassungshüter hatten seit Dienstag geprüft, ob die im Frühjahr 2010 verabschiedete Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.
Nach der Urteilsverkündung feierten einige Aktivisten der Opposition vor dem Verfassungsgericht. Die Demonstranten ließen den Korken einer Champagnerflasche knallen und schwenkten die italienische Fahne. Zufrieden zeigte sich auch die Demokratische Partei (PD), Italiens stärksten Oppositionspartei. "Das Verfassungsgericht bestätigt, dass Berlusconis Immunitätsgesetz illegitim ist", sagte ein PD-Sprecher.
Text: APA, Audio: ORF