Wenn Wehrpflicht ausläuft
Einberufung wird zum Glückspiel
Geht es nach Verteidigungsminister Norbert Darabos und der SPÖ, dann ist die Wehrpflicht Anfang 2012 Geschichte. Aber von den jungen Männern des Geburtsjahrgangs 1993, die heuer an der Reihe sind, könnte ein guter Teil ohne Pflichtdienst davonkommen. Pechvögel des Jahrgangs können per Antrag versuchen, der Einberufung zu entgehen. Doch die Behörde ist streng.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 21.01.2011
Nur jeder zweite muss hin
Für die Umstellung auf ein Freiwilligenheer muss es einen Stichtag geben - und damit ist die Wehrpflicht dann Geschichte. Dieser Stichtag wird schon Anfang 2012 sein, sagt der Verteidigungsminister. Das hätte weitreichende Folgen für die rund 45.000 jungen Männer des Jahrgangs 1993, die heuer zur Stellung müssen. Die angenehmen: Rund die Hälfte des Jahrgangs könnte ungeschoren davon kommen, denn die Einberufung erfolgt frühestens sechs Monate nach der Stellung. Für die, die im zweiten Halbjahr zur Stellung müssen, schaut es also gut aus.
Namensanfang oder Bezirk entscheidet
Wen es treffen würde und wen nicht, kann man in den Stellungskundmachungen für 2011 der neun Landes-Militärkommanden sehen, wo die Stellungstermine nach Bezirken und Gemeinden von Jänner bis Dezember konkret aufgelistet sind. Kurioses Beispiel: In der Stadt Salzburg würden 1993 geborene Männer vom Anfangsbuchstaben "A" bis "Nec" noch einberufen, weil sie im Februar zur Stellung müssen, die Namen von "Ned" bis "Z" aber eher nicht - die sind erst im Dezember dran. Und in Wien würde es die Jungmänner aus den Bezirken 1 bis 12 noch treffen, die Bezirke 13 bis 23 eher nicht mehr.
Mehrere Aufschubgründe
Die Leider-Noch-Wehr- und Zivildienstpflichtigen werden sich angesichts der politischen Debatte aber wohl verstärkt um Aufschub der Einberufung oder um Befreiung bemühen. Aufschubmöglichkeiten sehen sowohl das Wehrgesetz als auch das Zivildienstgesetz vor - wichtigster Grund ist die Ausbildung. Wobei das Bundesheer nur Lehrabschluss und Matura gelten lässt, nicht ein Studium, so Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums: "Ein Aufschub ist nur dann möglich, wenn der Betroffene mehr als ein Jahr verlieren würde. Und das ist bei einem normalen Studium nicht der Fall. Er würde maximal ein Semester verlieren. Ziel ist es aber, alle Wehrpflichtigen einzuberufen, bevor sie ihr Studium beginnen."
Zivildienst ist anders
Beim Zivildienst sind Härtefälle nicht so eng definiert. Dort ist auch etwa der Verlust eines Heimplatzes oder der Verlust einer Beihilfe ein Aufschubgrund. Überdies gibt es beim Wehr- und Zivildienst die Möglichkeit der Befreiung aus familiären und wirtschaftlichen Gründen, wenn dies entsprechend beantragt und begründet wird. Auch eine Befreiung aufgrund von sogenannten öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen ist möglich - und das ist ein weites Feld. Für das Heer schränkt Ministeriumssprecher Bauer ein: "Die Anzahl derer, die befreit werden, lässt sich fast an einer Hand abzählen - das liegt im Ein-, Zweiprozentbereich aller Wehrpflichtigen. Das sind ein paar wenige hundert."
Flut erwartet
Dennoch: Die Militärkommanden und die Zivildienstserviceagentur machen sich schon auf eine Flut von Aufschub- und Befreiungsanträgen von den Stellungspflichtigen des laufenden Jahres gefasst. Denn keiner will der letzte sein, der zum Pflichtdienst einberufen wird.
"Es gibt Mittel und Wege"
Der Wiener Rechtsanwalt Heinrich Vana im Morgenjournal-Interview am 21.1.2011 mit Stefan Kappacher
Ausnahmen restriktiv gehandhabt
Dass die Behörden mit Aufschüben und Befreiungen von Wehr- und Zivildienstleistung sehr rigoros umgehen, bestätigt auch der Wiener Rechtsanwalt Heinrich Vana: "Hier müssen außerordentliche familiäre oder berufliche Umstände vorliegen." Was aber, wenn der Stellungspflichtige sich nicht in Österreich aufhält? Vana: "Ein Einberufungsbefehl ist ein militärischer Befehl und kann daher aus Gründen des Völkerrechts nicht im Ausland erteilt werden. Das würde in die Hoheitsrechte eines Staates eingreifen. Im Regelfall werden Personen, die sich im Ausland befinden, nicht einberufen." Es gebe aber "Mittel und Wege des Militärkommandos" zumindest zu versuchen, auch solchen Personen einen Einberufungsbefehl zuzustellen. Menschenrechtliche Ansatzpunkte, etwa wegen Ungleichbehandlung gegen eine Einberufung zu klagen, sieht Rechtsanwalt Vana nicht.
Übersicht
- Verteidigung