Ausgang noch völlig offen

Ägyptischer Protest ohne Anführer

Nach einer ruhigen Nacht formieren sich in Kairo wieder die Demonstranten. Auch die Polizei ist erstmals wieder in den Straßen zu sehen. Auch die Armee ist weiter präsent. Für die nächsten Tage wurde zu einem Streik und einer Großdemonstration aufgerufen. Aber eine konkrete Führung des Protest ist weiterhin nicht erkennbar

Analyse von Karim ElGawhary aus Kairo

Gespräch mit Hubert Arnim-Elissen im Mittagsjournal, 31.01.2011

Vielschichtige Bewegung

Den Protest in Ägypten lenkt niemand. Im Westen will man immer wissen, was mit den Moslembrüdern ist und was die Rolle von ElBaradei ist. Aber in Kairo auf der Straße spielt das keine Rolle. Dort trifft man bei den Protesten die unterschiedlichsten Leute an. Am Tharir-Platz sitzen an einer - sehr kleinen - Ecke die Moslembrüder und beten, an einer anderen Ecke stehen die Anwälte, an einer andern Stelle die Imame von einer Moschee. Eine offene Atmosphäre, die von niemandem geführt wird. Zwischendurch war auch Mohammed El Baradei auf diesem Platz und hat auch kurz geredet. Aber eine richtige politische Führung hat diese Protestbewegung im Moment eigentlich nicht. Für die Bevölkerung ist das derzeit auch gar nicht auf der Tagesordnung. Das einzige, worüber diskutiert wird, ist die Frage: "Wie können wir Mubarak loswerden?"

Neues Selbstbewusstsein

Die Ägypter sind jedenfalls stolz, dass sie für diese Revolte keine ausländische Hilfe aus den USA oder der EU benötigt haben. Das bewirkt ein völlig neues Selbstbewusstsein in der arabischen Welt und die Zuversicht: "Wir schaffen das alleine und werden auch nicht aufgeben".

Politische Landschaft neu gepflügt

Und noch eines zeigt sich in diesen Tagen: Die Moslembrüderschaft ist nicht die große Macht, als dessen Gegenpol und Verhinderer Staatschef Mubarak jahrzehntelang gegolten hat. Die Protestbewegung ist viel breiter, und die Muslimbrüder sind nur ein kleinerer Teil davon. Da wird gerade die politische Landschaft in der arabischen Welt umgepflügt. Und in diesem Boden werden neue Pflänzchen wachsen, die wir heute überhaupt noch nicht kennen. Aber es ist nicht mehr die Kategorie "Entweder der Diktator oder die Moschee".

Neuausrichtung noch unklar

Die Situation ist jedenfalls unberechenbar. Es lässt sich nicht sagen, welche politische Ausrichtung ein Nachfolge-Regime auch im Hinblick auf Israel und die Stabilität in der Region haben wird. Bei den Protesten spielt das Thema Israel auch überhaupt keine Rolle.

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