Catalin Dorian Florescus neuer Roman

Jacob beschließt zu lieben

In den letzen zehn Jahren hat Literatur aus der Feder von Autoren und Autorinnen mit migrantischer Herkunft die deutschsprachige Gegenwartsliteratur entscheidend bereichert. Der aus Rumänien stammende, in der Schweiz lebende Autor Catalin Dorian Florescu gehört zu jenen Autoren nichtdeutscher Muttersprache, die sich dafür entschieden haben, auf Deutsch zu schreiben.

Ein olfaktorisches Erlebnis

Es stinkt nach Schnaps, Knoblauch, Pferdemist und dem Schweiß ungewaschener Körper. Catalin Dorian Florescu lädt seine Leser zu einer Reise in das rumänische Banat ein und diese Reise wird nicht zuletzt zu einem olfaktorischen Erlebnis. Denn Rumänien, das wird gleich nach den ersten Seiten der Lektüre klar, figuriert in Florescus Roman als das Andere, als Kontrast zu den sauberen, überregulierten Städten Westeuropas also. Während da Sterilität herrscht, entfaltet sich dort ein Feuerwerk der Sinneseindrücke.

Auf in den wilden Osten! ruft uns der Autor gewissermaßen zu und das ist durchaus doppeldeutig gemeint. Denn der Osten taucht in diesem Roman auch als Sehnsuchtsort deutschsprachiger Siedler des 18. Jahrhunderts auf. Sie ziehen gen Osten - auf der Suche nach Glück und einem Stück Land, sagt Catalin Dorian Florescu.

Der Osten als Sehnsuchtsort

Mit "Jacob beschließt zu lieben" legt Catalin Dorian Florescu eine epische, breit erzählte Familiensaga vor, die am Beispiel der Familie Obertin das Schicksal der Banata-Schwaben erzählt, jener deutschen Siedler, die sich unter der Regentschaft Maria Theresias im westrumänischen Banat niederließen. Rumänen, Ungarn, Deutsche, Bulgaren und Serben lebten im Banat jahrhundertelang friedlich miteinander, sagt Catalin Dorian Florescu.

Kreuz und quer durch die Jahrhunderte jagt Catalin Dorian Florescu die Leser seines Romans. Denn die Geschichte der Familie Obertin ist mit den Großereignissen der europäischen Geschichte verzahnt. Vom Dreißigjährigen Krieg zu den Siedlern des 18 Jahrhunderts, bis zur Zeit des Nationalsozialismus und zur kommunistischen Nachkriegsordnung begleitet der Leser die Geschicke der Familie Obertin.

Am Ende der Welt

Es ist eine Geschichte, die von monströsen Gewaltorgien, Deportationen, Morden und Enteignungen geprägt ist. Am Ende wird der Titelheld Jacob mit den anderen deutschsprachigen Bewohnern seiner Dorfgemeinschaft in eine unwirtliche, menschenleere Gegend verschleppt. Und dort, am Ende der Welt, beschließt er, ein neues Haus zu bauen. Mit einem Funken Hoffnung also schließt Catalin Dorian Florescu die Familienchronik, die er in "Jacob beschließt zu lieben" aufgeschlagen hat.

"Jacob beschließt zu lieben" ist ein Roman, der interessante Einblicke in die Geschichte der deutschsprachigen Banater Schwaben bietet, der aber an der einen oder anderen Stelle etwas stereotyp wirkt. Das Klischee des "wilden Ostens" als pulsierender, übelriechender Moloch, als Welt der Legenden und des Aberglaubens entspricht doch zu sehr dem Bild, das man sich im Westen von Rumänien immer schon gemacht hat.

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Catalin Dorian Florescu, "Jacob beschließt zu lieben", C. H. Beck

C. H. Beck - Jacob beschließt zu lieben