Experten: Zahnlos

Warnung vor neuem Jugendwohlfahrtsgesetz

Seit drei Jahren sollte Österreich ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz haben. Anlass war der Tod des misshandelten Kleinkindes Luca 2007. Dem ersten Gesetzesentwurf folgte der Aufschrei der Bundesländer - es sei zu teuer, was der Bund vorschreibe. Jetzt liegt der dritte Entwurf vor, und der ist laut Experten so zahnlos, dass sie davor warnen, dieses Gesetz zu beschließen.

Heute verhandelt die neue Familienstaatssekretärin Verena Remler von der ÖVP darüber mit den Bundesländern.

Morgenjournal, 21.02.2011

Zwei Sozialarbeiter Mindeststandard

Wenn dieses Gesetz beschlossen wird, ist das eine Katastrophe für die betroffenen Kinder, warnen Expertinnen, wie die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. Der Bund müsse die Länder drängen, gewisse Standards verpflichtend einzuhalten, zum Beispiel das Vier Augen-Prinzip, dass also zwei Sozialarbeiterinnen einen Fall bearbeiten und nicht nur eine. Mindeststandard müsste das Vier-Augen-Prinzip sein. Die Parteien sollten sich den ersten Entwurf noch einmal ansehen und nicht die Light-Version.

Unklar formuliert

Im ersten Entwurf, sagt Pinterits, ist das Vier Augen-Prinzip noch verpflichtend verankert, im dritten sei alles schon sehr schwammig formuliert. Die Frage, wie soll das Personal ausgebildet sein, ist mit: es sollen Fachkräfte sein - beantwortet. Wie konkret die Mitarbeiterinnen ausgebildet sein müssen, bleibt unklar.

Sparen am falschen Ort

Georg Dimitz vom Berufsverband der Sozialarbeiterinnen kritisiert vor allem die Bundesländer. Die weigerten sich, für den wichtigen Kinderschutz Geld in die Hand zu nehmen. Er hofft, dass sich die Bundesländer durch die letzten tragischen Fälle ihrer Verantwortung bewusst seien, die sie die letzten 20 Jahre nicht wahrgenommen hätten. Es sei bekannt wie das System verbesserbar sei, man müsse es nur tun, so Dimitz.

Länder mauern

Die Länder argumentieren mit den Kosten, die ihnen entstehen, wenn der Bund ihnen gewisse Standards vorschreibt. Aus der Steiermark etwa ist zu hören: man werde keinem Gesetz zustimmen, wenn das für das Land Mehrkosten bedeutet. Für Georg Dimitz ist das kein Argument, zumal die zusätzlichen Kosten für alle Bundesländer höchstens zwei Millionen Euro ausmachen. In so einem reichen Land wie Österreich müsste ein Notsystem mit Schwächen repariert werden, das stehe seit 20 Jahren aus.

Hoffen auf Scheitern

Das Geld ist da, ärgert sich auch Monika Pinterits. Sie hofft, dass es heute keine Einigung gibt. Denn wenn es eine Einigung ohne Vier-Augen-Prinzip gebe, würde sich in den nächsten Jahren nichts mehr bewegen. Sie rechnet dann mit einem Aufschrei der Experten.

Remler will Bewegung

Die zuständige Staatssekretärin Verena Remler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. In einer schriftlichen Aussendung heißt es: ich erwarte mir einen Schritt in die richtige Richtung.

Einigung unwahrscheinlich

Remler verhandelt heute Mittag mit den zuständigen Vertretern der Länder. Einheitliche Kriterien und ein Vier-Augen-Prinzip sollen dazu beitragen, dass Kinder wie der zu Tode geprügelte Cain künftig besser geschützt sind. Dass man sich heute wirklich einigen wird, ist aber fraglich, denn die Länder wehren sich gegen zusätzliche Kosten, die diese Neuerungen bringen würden.

Mittagsjournal, 21.02.2011