Schwerpunktland Serbien

Bora Cosic auf der Leipziger Buchmesse

Serbien ist heuer Schwerpunktland auf der Leipziger Buchmesse. Im Rampenlicht: Bora Cosic, einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren des Landes. 1992 hat er aus Protest gegen das Milosevic-Regime Belgrad verlassen und lebt seither im Exil in Berlin und im kroatischen Rovinj. Soeben ist sein Erzählband "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten" erschienen.

Kultur aktuell, 19.03.2011

Als einer der witzigsten und skurrilsten Autoren wurde Bora Cosic gefeiert - nach dem satirisch-polemischen Roman "Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution", der anno 1969 im ehemaligen Jugoslawien zum "subversiven Klassiker" avancierte. Aus der Perspektive eines naiven Kindes erzählt Bora Cosic da vom Alltag einer chaotischen Belgrader Familie und vom komplizierten Gang der großen Geschichte.

Seit bald zehn Jahren lebt Bora Cosic jetzt im Exil: "Ich bin ein Gastserbe", sagt Bora Cosic. Mit Serbien verbinden ihn nur mehr seine Bücher, die dort erscheinen. Aus Protest gegen die Verbrechen von Milosevic ist Bora Cosic 1992 von Belgrad nach Istrien, nach Rovinj gezogen, drei Jahre später weiter nach Berlin - und - wie die Kritik bemerkte - wurden seine Bücher immer ernster und trauriger. "Die Zollerklärung" etwa - ein Abschiedsbuch von seiner Heimat oder "Das Land Null" - ein radikaler Gedankenmonolog.

Lust an Ironie und Groteske

Umso mehr überrascht es, dass Bora Cosic in seinem jüngsten Buch wieder an sein Frühwerk anknüpft - die Lust an Ironie und Groteske inklusive. "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten" lässt er sie alle wieder auftreten: den Vater, ständig im Suff, die geplagte Mutter, den Womanizer-Onkel, die sensiblen Tanten und das Kind, das alles genau registriert und auf seine Weise deutet - mit Witz und einer überbordenden Sprache wird die Absurdität der Geschichte deutlich.

"Meine neue Ironie ist jetzt normal", lächelt der Autor. Sie ist allerdings auch gleich wieder verflogen, wenn Bora Cosic von Serbien spricht. Der Konflikt zwischen den demokratischen und nicht-demokratischen Kräften spitzt sich zu, sagt Bora Cosic: "Die Rechten sind im Anwachsen und sie sind mittlerweile auch im Parlament stark vertreten. Das ist eine große Bedrohung bei den kommenden Wahlen." Und was das die Vergangenheitsbewältigung anlangt: Bis heute weiche man dem Thema Kriegsverbrechen aus. In Deutschland werde man kaum jemanden finden, der den Holocaust leugnet, meint Cosic. In Serbien dagegen seien es viele, auch intelligente Menschen, die glauben, Srebrenica habe es nicht gegeben.

Eine Rückkehr in die ehemalige Heimat ist für den 79-jährigen Autor kein Thema. "Ich wüsste gar nicht wohin ich gehen sollte", sagt Bora Cosic, "das Land, aus dem ich weggegangen bin, gibt es nicht mehr". Sein Rückzugsgebiet, das sei die Poesie.

Service

Buch Leipzig

Bora Cosic, "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten", übersetzt von Katharina Wolf-Grießhaber, Folio Verlag