Fall Strasser schafft Dringlichkeit
Diskussion über Lobbyistengesetz
Nach dem Auffliegen der Lobbyistenaffäre um Ernst Strasser ruft die ÖVP nun nach einem Lobbyistengesetz, das Zähne hat und Sanktionen vorsieht. Die SPÖ will alles unterstützen, was die Transparenz des Systems der Interessendurchsetzung erhöht, und die Oppositionsparteien ziehen mit. Das Konfliktpotenzial liegt im Detail.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.03.2011
"Gut geknüpftes Netz"
Bis 2009 waren Abgeordnete vom Anti-Korruptionsgesetz ausgenommen. Erst ein Ö1-Bericht, wonach auch EU-Abgeordnete diese Extrawurst gebraten bekommen sollen, hat SPÖ und ÖVP damals die Notbremse ziehen lassen. Es war also immer schon ein schwieriges Terrain für Schwarz und Rot. Aber jetzt sei gesetzlich alles in Ordnung, sagt ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. Er sieht es als "vernünftig ausgearbeitetes Gesamtkonzept", das man immer missbrauchen könne, wenn man es darauf anlegt. Aber es sei ein "gut geknüpftes Netz", so Kopf.
Verpflichtendes Lobbyistenregister
Einen Änderungsbedarf gebe es "nicht wirklich". Man könne natürlich präzisieren, dass etwa das Einbringen von Anträgen gegen Geld bei Strafe verboten ist, so Kopf. Für Lobbyisten - also Leute, die im Gesetzgebungsprozess die Interessen bestimmter Firmen wahrnehmen - sollte es jedenfalls eine neue Regelung geben: "Sodass jeder Politiker sofort weiß: Aha, das ist ein zugelassener, zertifizierter Lobbyist und ich habe es hier nicht mit irgendwelchen windigen Personen zu tun." Das laufe auf ein verpflichtendes Lobbyistenregister hinaus - freiwillig, wie derzeit auf europäischer Ebene sei zahnlos, so Kopf.
Für jede Form der Transparenz
Die SPÖ ist beim Präzisieren und beim neuen Lobbyistengesetz dabei. Für Klubobmann Josef Cap ist entscheidend, "dass das klar deklariert ist und man damit mit viel mehr Kontrolle umgehen kann." Und Cap will wieder über die volle Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten reden - obwohl das auch in seiner Fraktion stets umstritten war: "Wir sind da offen für jeden Vorschlag. Wir wollen uns auch ansehen, wie das in anderen Parlamenten geregelt ist und sind selbstverständlich für jede Form von Transparenz."
Zur Gänze einsehbar
Derzeit müssen Abgeordnete nur angeben, ob sie Nebeneinkünfte über 1.140 Euro im Jahr beziehen und von wem. Die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig will aber die volle Höhe wissen, und zwar öffentlich einsehbar. Und Glawischnig ist auch für ein Lobbyistengesetz: In diesem Sektor sei nach den Entwicklungen der letzten zehn bis 15 Jahre in Österreich Regulation gefragt. Die Grünen erwarteten eine rasche Vorlage der Justizministerin.
Transparenz nicht generell
FPÖ und BZÖ sagen zur vollen Offenlegung zwar auch ja, allerdings mit einem großen Aber. FPÖ-Klubchef Heinz Christian Strache will, dass die Gesamteinkünfte nur von Fall zu Fall zu veröffentlichen sind, falls der Unvereinbarkeitsausschuss konkreten Lobbyismusverdacht feststellt. "Aber nicht generell", so Strache.
Gewerkschaft und Kammern
BZÖ-Klubobmann Josef Bucher ergänzt dazu: "Bei Selbständigen muss man wohl rücksichtsvoll sein, da sind ja die Einkünfte immer unterschiedlich." In das geplante Lobbyistenregister will Bucher auch Gewerkschafter und Kämmerer aufnehmen. Diese spielten eine entscheidende Rolle bei der Gesetzgebung, so Bucher. "Das sind ja die ersten, die immer auch bei der Gesetzgebung befasst sind."
Lange Liste
Und FPÖ-Chef Strache hat in Sachen Lobbying vor allem die ÖVP-Fraktion im Visier: "Wir haben es da offenbar mit Atomlobbyisten zu tun, mit Pharma-Lobbyisten, mit Raiffeisen-Lobbyisten. Das ist eine lange Liste." Wie lang die Lobbyistenliste tatsächlich sein wird, darüber wird im Parlament also noch heftig gestritten werden.
Ex-Lobbyist Pirker folgt
Das freigewordene Mandat von Ernst Strasser im EU-Parlament wird der Kärntner Hubert Pirker annehmen. Pirker ist allerdings auch nicht ganz unumstritten: Er arbeitete als Privatmann zuletzt auch als Lobbyist und Berater - mit Schwerpunkt Südkorea. Pirker sagt aber im Ö1-Interview, er habe seine Firma bereits stillgelegt und alle Aufträge abgewickelt und beendet. Und er versichert, eine politische Tätigkeit halte er mit Lobbyismus für unvereinbar.