Im Inneren des Milliardengeschäfts
Sklaverei
Wegen ihrer Recherchen über Menschenhandel und Kindesmissbrauch wurde sie bedroht, entführt und sogar vor Gericht gestellt: Die mexikanische Journalistin und Menschenrechtlerin Lydia Cacho hat sich dennoch nicht beirren lassen. Gerade ist ihr viel beachtetes Buch "Esclavas del poder" in der deutschen Übersetzung erschienen.
8. April 2017, 21:58
Auf fünf Kontinente, von Japan über Kambodscha und Europa bis hin nach Nord- und Südamerika haben sie ihre Reisen geführt. Lydia Cacho, vielfach ausgezeichnete Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, hat sich bei ihren Recherchen mehr als einmal in Lebensgefahr begeben, um uns hinter die Kulissen des weltweiten Sklavenhandels blicken zu lassen, denn die Menschenhändler wollen sich nicht so einfach in die Karten schauen lassen - Sklaverei ist das große Geschäft des 21. Jahrhunderts, einträglicher sogar als der Handel mit Drogen und Waffen, schreibt Lydia Cacho. Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef werden jährlich allein etwa 1,2 Millionen Minderjährige Opfer von Menschenhändlern.
Bereits im Jahr 2005 sorgte Lydia Cacho für einen Skandal: In ihrem Buch "Los Demonios del Eden" - "Die Dämonen im Garten Eden" - schrieb die Journalistin über Kinderhandel und Kinderpornografie in ihrer Heimatstadt, dem mexikanischen Badeort Cancun. Weil sie auch die Namen der mächtigen Hintermänner preisgab, wurde sie mit dem Tod bedroht, verhaftet und vor Gericht gestellt. Ein Erlebnis, das sie in ihrem Kampf gegen Menschenhandel nur bestärkte, heißt es dazu in ihrem neuen Buch "Sklaverei".
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Als ich während des Prozesses gegen mein Buch "Los Demonios del Eden" den mexikanischen Kinderhändlern in die Augen sah, wurde mir klar, dass sie bei weitem nicht so mächtig sind, wie wir gern meinen: sie sind keine Monster, sondern Menschen und sehr kleine noch dazu. Die Macht, die sie haben, erhalten sie nur, weil wir Angst vor ihnen haben.
Um diese Angst zu besiegen, gründete Cacho in Cancun ein Zentrum für Opfer sexueller Gewalt. Zwangsprostitution ist nämlich weltweit die häufigste Form der Sklaverei, sie macht vier Fünftel aller Fälle von Sklaverei aus. Dem Sexgewerbe ist deshalb auch der größte Teil des Buches gewidmet.
Sextouristen in Südostasien
Im Stil einer investigativen Journalistin berichtet Lydia Cacho von ihren Reisen in die Zentren der Sex-Industrie, lässt Opfer zu Wort kommen und schreibt über Treffen mit Informanten in zwielichtigen Etablissements. Ausführlich widmet sich die Autorin auch der Nachfrage nach Prostitution. In den meisten Ländern - gerade in Südostasien - stellen die Sextouristen die größte Gruppe der Freier dar. Eindrucksvoll beschreibt die Autorin, wie in manchen Regionen die Zwangsprostitution zum wichtigsten Wirtschaftsmotor geworden ist. Etwa in Kambodscha:
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In den offenen Tuk Tuks sind die Touristen gut erkennbar. Die Einheimischen werfen verstohlene Blicke auf die Motorradtaxis, in denen ältere Männer im Alter von 50 oder 60 Jahren neben 12- oder 14-jährigen Mädchen sitzen. Es sind die Dadas oder Papis, ausländische Klienten der Prostitution, die als reiche Weiße eine Sonderbehandlung genießen, Dollars und Euros in der Tasche haben und jeden Luxus bezahlen, den sie haben wollen.
Weltweit agierende Menschenhändler-Ringe
Wie kaum ein anderes Gewerbe wuchs der Sklavenhandel mit der Liberalisierung der Weltwirtschaft. Auch die Menschenhändler-Ringe agieren heute weltweit. Oft ist es die Gesetzlosigkeit, die Frauen zu leichten Opfern macht, meist aber ist es die wirtschaftliche Not. Immer häufiger, schreibt Cacho, werden junge Mädchen über Jobannoncen im Internet angelockt. Statt der tollen Jobs im Ausland, die versprochen wurden, wartet die sexuelle Ausbeutung.
Hier der Bericht einer jungen Venezolanerin, die von einer Schlepperbande nach Mexiko gebracht wurde:
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Einmal habe ich gesehen, dass ich denen 10.000 Dollar schulde, für das Ticket, das Zimmer, das Essen, den Doktor, die hübschen Kleider, die sie mir gekauft haben, und für die Aufenthaltserlaubnis. Deshalb habe ich ja gesagt, als sie zu mir gesagt haben, dass ich mit diesem wichtigen Unternehmer aus Nuevo Leon in ein Hotel gehen soll.
Oft sind sie nicht klar erkennbar, die Grenzen zwischen frei gewählter und durch Zwang herbeigeführter Prostitution, schreibt Lydia Cacho. Mit ein Grund, warum die Autorin die Legalisierung des Sex-Gewerbes mit Skepsis sieht, denn in einer von Ungleichheit geprägten Welt nutzt sie nur den Tätern, meint die Autorin.
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Viele Feministinnen sind der Ansicht, die Legalisierung der Prostitution sei das beste Gegenmittel gegen den Menschenhandel mit Frauen und Minderjährigen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass eine Legalisierung lediglich der Mafia Tür und Tor öffnet und die Sklaverei eher noch erleichtert.
Den Sklavenhandel ins Bewusstsein rücken
Leider nur kurz geht die Autorin auf die Ausbeutung von Arbeitsmigranten ein, auf Menschen, die wie Sklaven in Fabriken schuften müssen - rechtlos und ohne Papiere gestrandet in einem Land, dessen Sprache sie kaum verstehen. Die Saatmaschine, die Sklaven und Sklavinnen in aller Welt hervorbringt, sei die Armut, schreibt Lydia Cacho dazu.
Mit ihrem Buch möchte die Journalistin das Milliardengeschäft hinter dem Sklavenhandel ins öffentliche Bewusstsein rücken. Statt im Stil eines Sozialpornos auf Einzelschicksale einzugehen, beschreibt Lydia Cacho die Mechanismen, die die kriminelle Ausbeutung von Menschen erst möglich machen. Welchen Weg geht das schmutzige Geld, fragt sie. Und warum sehen staatliche Behörden oft tatenlos zu?
Sogar dem Handwerk des Zuhälters ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Weil die Autorin jedem Aspekt des Menschenhandels nachgehen möchte, wirkt der Text stellenweise wie ein Puzzle, dessen Teile nicht zueinander passen. Überzeugend sind aber die persönlichen Erlebnisberichte, in denen sich die Journalistin im Stil eines Günther Wallraff in ein Bordell einschleicht oder in die Rolle einer Nonne schlüpft. Allein schon deshalb ist "Sklaverei" ein eindrucksvolles, ein mutiges Buch.
Service
Lydia Cacho, "Sklaverei. Im Inneren des Milliardengeschäfts", aus dem Spanischen übersetzt von Jürgen Neubauer, S. Fischer Verlag
S. Fischer - Sklaverei
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- Sexuelle Gewalt