Französisch-italienische Visa-Farce
"Flüchtlings-Pingpong" an der Grenze
Seit Wochen beschäftigen die rund 25.000 Flüchtlinge aus Tunesien Europas Politik. Vor allem Italien und Frankreich schieben das Problem buchstäblich hin und her. Frankreich hat für ein paar Stunden den Zugsverkehr an der Grenze lahmgelegt, weil Italien begonnen hat, Schengen-Visa für die Flüchtlinge auszustellen.
8. April 2017, 21:58
Robert Uitz aus Ventimiglia
Reportage von der italienisch-französischen Grenze
Bahnsteige besetzt
Endstation am Bahnhof von Ventimiglia – dem Grenzbahnhof zu Frankreich. Denn die Franzosen haben gegen Mittag die Grenzen dicht gemacht und keine Züge mehr losfahren lassen. Daraufhin haben Menschenrechtsaktivisten und Flüchtlinge die Bahnsteige besetzt. Und so ist auch Tarek hier gestrandet: "Ich bin aus Tunesien und ich reise nach Frankreich. Ich bin vor drei Tagen nach Ventimiglia gekommen, um Papiere zu bekommen." Er hat bereits in seinem Reisepass ein Schengen-Visum. Doch das ist den Franzosen egal.
Zu Fuß auf der Autobahn
Auch der Bundesstraßen-Grenzübergang war gestern wie in Vor-Schengen-Zeiten für ein paar Stunden wieder bewacht. Und so marschieren ganze Gruppen mit Plastiksäcken in der Hand auf der Autobahn. Diese führt hier über hohe Brücken den Berg entlang. Eine Anrainerin beschreibt wie jeden Tag viele vorbeikommen – um oberhalb ihres Grundstücks auf die Autobahnbrücke zu steigen: "Sie gehen in einer Reihe den Berg hinauf. Gerade vorher sind sieben vorbeigekommen. Dort hinten über die Brücke und dann vorne wieder runter."
Visa-Pingpong
Das Ganze ist mittlerweile eher zur Politshow verkommen. Frankreich und Italien werfen sich gegenseitig vor, EU-Verträge nicht einzuhalten, schieben die Tunesier über die Grenze hin und zurück. Italien stellt also auch heute weiter Visa aus – und Frankreich erkannt sie wahrscheinlich weiter nicht an. Vor dem Polizeikommissariat in Ventimiglia, wo die Visa abzuholen sind, gibt es trotzdem eine lange Schlange. Mittendrinnen Abdel Azis. Er hat in Tunesien im Tourismus gearbeitet und kann deshalb auch Deutsch. Er sei schon zwei Wochen hier. Vielleicht geht er nach Frankreich, vielleicht bleibt er aber auch hier in Italien, sagt er.
Löst es sich von selbst?
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Politik in Italien und Frankreich eigentlich dankbar ist für dieses Thema. Es lässt sich wunderbar innenpolitisch ausschlachten – und irgendwann wird es sich von selbst lösen. Heute wollen viele Tunesier einen neuen Anlauf per Zug machen, auch Tarek. Große Teile seiner Familie sind schon in Frankreich. Und mit französischer Innenpolitik kennt er sich auch schon ein wenig aus. Für ihn ist klar wo das Problem liegt: "Under Sarkozy big problem."