Bischof Bünker "Im Journal zu Gast"
"Integration ist mehr als Fremdenrecht"
Das Staatssekretariat für Integration sei im Innenministerium falsch angesiedelt, kritisiert der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich, Michael Bünker, im Ö1-Interview. Und er spricht sich dafür aus, dass Muslime in Österreich Moscheen mit Minaretten bauen dürfen.
8. April 2017, 21:58
"Gutes Zeichen, aber falscher Ort"
Der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich, Michael Bünker, im Ö1-Interview "Im Journal zu Gast" am 22.04.2011 mit
Staatssekretariat "am falschen Ort"
Die Einrichtung des Integrationsstaatssekretariats ist für Bünker grundsätzlich ein gutes Zeichen. Die Regierung nehme damit wahr, dass Österreich ein Zuwanderungsland ist und Integration eine zentrale politische Steuerung braucht, sagt Bünker im Ö1-Interview "Im Journal zu Gast". Das Innenministerium sei aber der falsche Ort, so Bünker. "Das Großthema Integration meint ja nicht nur Asyl- und Fremdenrecht." Sondern Integration sei vor allem eine Bildungsfrage, aber auch eine soziale und wirtschaftliche Frage. Idealerweise wäre das Amt seiner Ansicht nach in einem Ressort für Wirtschaft und Familien angesiedelt. Zur Person des Staatssekretärs, Sebastian Kurz (24), will Bünker nichts sagen, er wünsche ihm alles Gute.
Minarette und Feiertag für Muslime
Der evangelische Bischof befürwortet auch, dass Muslime in Österreich Moscheen und Minarette errichten dürfen. Er verweist darauf, dass die Evangelischen erst 1961 die volle Gleichberechtigung erfahren hätten. Bünkers Schluss: Man brauche viel Geduld, bis Religionsgemeinschaften die vollen Freiheitsrechte bekommen. Und das gilt seiner Ansicht nach auch für die islamische Glaubensgemeinschaft, die in Österreich bereits größer ist als die evangelische: "Nach den Erfahrungen mit dem Kirchturmverbot im 19. Jahrhundert verstehen wir, dass es selbstverständlich sein muss, wenn die islamische Glaubensgemeinschaft Moscheen mit Minaretten baut. Das ist einfach ein Ausdruck der Religionsfreiheit und sollte gar nicht umstritten sein." Das gleiche gelte für einen gesetzlichen Feiertag.
Parallelen zur Ortstafel-Diskussion
Bünker verweist dazu auf die Geschichte: Mit dem "Protestantenpatent" vom April 1861 habe Kaiser Franz Joseph I. den Evangelischen die "Parität" mit den römisch-katholischen Kirche zusichern wollen. Vorher habe es nur eine Duldung gegeben, Kirchtürme seien nicht zugelassen gewesen - "die unsichtbare Minderheit". "Ich glaube, dass das in Österreich tief eingewurzelt ist: Minderheiten sind solange geduldet, solange man nichts von ihnen merkt." Das betreffe auch die Ortstafeldiskussion in Kärnten, wo er hoffe, dass es nach Ostern zu einer Lösung kommt.
Kampf gegen Hunger
Als besonderes Anliegen nennt Bünker den Kampf gegen den weltweiten Hunger, der entgegen der globalen Ziele nicht abgenommen, sonder auch aufgrund der Finanzkrise noch zugenommen habe. Kritik übt Bünker in diesem Zusammenhang auch an der österreichischen Entwicklungshilfe: "Österreich hat in diesem Bereich immer schon zu wenig getan." Österreich sei mit 0,3 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit vom Ziel 0,7 Prozent weit entfernt. Und Bünker protestiert dagegen, dass diese Mittel nun per Gesetz weiter reduziert werden sollen.
Kampf gegen Austritte
Die evangelische Kirche verliert, ebenso wie die katholische, Mitglieder, auch durch Austritt. In Österreich sind das rund 800 bis 900 pro Jahr, und das trotz demokratischer Strukturen und Skandalfreiheit. Bünker sieht das als Ausdruck einer gesamteuropäischen Kirchenkrise, will mit neuen Wegen gegensteuern und die Gemeinden öffnen. In anderen Teilen der Welt nehme die Religiosität zu.