Super-Gau am 26. April 1986

Verstrahlung in Österreich noch messbar

Der bisher größte atomare Unfall hat 1986 im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl stattgefunden. Die radioaktiven Schwaden zogen daraufhin über halb Europa und auch nach Österreich. 25 Jahre später ist die Verstrahlung auch in Österreich noch messbar.

Mittagsjournal, 26.04.2011

Erste Meldungen erst zwei Tage später

Reaktor "Block 4" explodiert am 26. April 1986; Österreich (mehr als tausend Kilometer vom Atomkraftwerk Tschernobyl entfernt) erfährt davon (noch ziemlich unklar) zwei Tage später - das Ö1-Abendjournal berichtet: "In Teilen Schwedens, Norwegens und Finnlands wurde erhöhte Radioaktivität gemessen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Strahlung aus einem defekten sowjetischen Atomkraftwerk stammt".

Wolken und Regen

Weitere zwei Tage später - vier Tage nach dem Unfall in der Ukraine - wird erhöhte Radioaktivität in Österreich gemessen. Drei Mal kamen Luftpakete nach Österreich und zwar kreuzweise. Beim ersten Mal war die Belastung noch nicht hoch, sagt Karl Kienzl, der stellvertretende Geschäftsführer des Umweltbundesamtes in Wien, er hat damals die Messungen dokumentiert.

Erst danach kamen weitere radioaktiv belastete Wolken nach Österreich und schließlich kam auch der Regen dazu, durch den sich die radioaktive Belastung auf den Boden und auf die Pflanzen niederschlug.

Warnungen erst ab 1. Mai

Am ersten Mai gibt es offizielle Empfehlungen: Kinder sollten nicht im Freien spielen, Sandkisten gelten als Tabu; Frischgemüse sei gründlich zu waschen; Kühen sollte kein frisches Gras gefüttert werden; Vieh nicht im Freien weiden. Die größten Belastungen gab es dort, wo es zu der Zeit geregnet hat: auf der Koralpe, im Salzkammergut und in der Tauernregion.

Problem: Wildschweine und Pilze

Heute, 25 Jahre später, ist „Tschernobyl" noch immer messbar - in Form von Cäsium in den Wäldern (in Boden, Pflanzen, Pilzen, Tieren im Wald), schildert der Biologe Karl Kienzl; Cäsium hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren (nach 30 Jahren also ist erst die Hälfte der Radioaktivität abgeklungen): im Waldökosystem bleibt das Cäsium bis es zerfallen ist. Tiere wie die Wildschweine, die sich in die niederen Schichten des Waldbodens in den betroffenen Regionen durchwühlen, haben die höchste Belastung und damit auch ihr Fleisch beim Verzehr - auch heute noch. Hingegen gelte Wild aus Zucht oder mit Zufütterung als unbedenklich und könne gegessen werden, so Kienzl vom Umweltbundesamt.

Problem können manche Pilz-Sorten sein: Semmel-Stoppel und Maronenröhrlinge zum Beispiel nehmen Cäsium besonders gut auf; weniger Cäsium finde man in Herrenpilzen und Eierschwammerl; kaum verstrahlt seien Parasol. Der Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm mag zwar auf Märkten behördlich überprüft werden, doch was ist beim Schwammerlsuchen im Wald? Ab und zu einmal ein Pilzgericht sei unbedenklich, nur bei größeren regelmäßigen Mengen wird es zum Problem.

Keine Belastung erst in 300 Jahren

Der Atomkraft-Unfall in Tschernobyl wird Österreich noch Jahrzehnte / Jahrhunderte begleiten: Cäsium 137 (als eines der relevanten Nuklide aus dem Reaktor) hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren; nach 300 Jahren, so das Umweltbundesamt, ist ein natürlicher Pegel von Cäsium 137 erreicht - erst dann wird Tschernobyl in Österreich nicht mehr messbar sein.