Zwischen Unterhaltung und Engagement
Schottenbergs Volkstheater-Pläne
Michael Schottenberg, Direktor des Wiener Volkstheaters, spricht nicht gern über Geld; viel lieber über Inhalte. Mit vielen engagierten Worten präsentierte er nun seine Vorhaben für die Saison 2011/12. Schottenberg versucht seit Jahren den Spagat zu schaffen zwischen Unterhaltung und dem Anliegen, Probleme der Gegenwart auf die Bühne zu bringen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 2´8.04.2011
Dorothee Frank im Gespräch mit Michael Schottenberg
Volkstheater 2011/2012
Auslastung steigend
Die Anlaufschwierigkeiten der Ära Michael Schottenberg am Volkstheater scheinen endgültig vorbei zu sein. Die Auslastung stieg in der Vorsaison auf 80 Prozent, und dieser Wert kann, wie es aussieht, für die laufende Saison gehalten werden. Auch dank der Außenbezirks-Gastspiele, die ein Dauerhit und häufig ausverkauft sind.
Schottenberg hakt die Zahlen schnell ab und schafft es dann bei so einer Spielplanpressekonferenz, gleich mehrere zentrale Gegenwartsprobleme in schönen Worten auf den Punkt zu bringen. Nämlich wenn er die Stücke für die nächste Saison und deren Aktualitätsbezug erklärt.
Zum Beispiel bei der Dreigroschenoper, die Schottenberg selbst inszenieren wird: "Das Tricksen, der Profit und der Betrug, Ich-AGs, bilden eine geradezu schauervolle Globalisierungslobby. Skandale, gewissenlose Großindustrielle - net alle, aber viele..."
Mittagsjournal, 28.04.2011
Zivilcourage und Mitläufertum
Das Renaissancestück "Volpone" von Ben Jonson handelt von Zivilcourage und Mitläufertum. Von Joseph Roths Roman "Hotel Savoy" wird Koen Tachelet eine Bühnenfassung erarbeiten - ein Stück auch zum Nachdenken über "Funktioniert dieses Europa überhaupt noch? Oder ist es ein hermetisch verschlossenes Gebäude, das sich gegen das Eintreffen von anderen verschließt? Es ist der Untergang einer Epoche und die Gefahr der Geburtsstunde einer schlechteren Welt."
Neues Mitterer-Stück
Eröffnet wird die kommende Saison mit einer Uraufführung. Auf Anregung des Volkstheaters hat Felix Mitterer ein Dokumentarstück über die Schauspielerin Dorothea Neff geschrieben. Sie wurde von der Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt, weil sie in der Nazizeit ihre Freundin versteckte.
Felix Mitterer bei der Pressekonferenz über sein Stück mit dem Titel "Du bleibst bei mir": "Bei den Recherchen bin ich darauf gekommen, was für eine unglaublich tapfere, aufrechte Frau das war - dass sie dann ihre Freundin da vier Jahre in der Wohnung versteckt, das war ja auch unglaublich. Auch wenn sie kein Liebespaar gewesen wären, hätte die Dorothea Neff natürlich die Lilli Wolf auch versteckt, weil sie so eine aufrechte Person war."
Generalthema Migration
Migration ist eines der großen Themen der kommenden Jahre am Volkstheater. Erstens lädt Schottenberg Künstler mit Migrationshintergrund ein - wie den gefeierten deutschtürkischen Regisseur Nurkan Erpulat, er wird Gorkis "Kinder der Sonne" inszenieren. Zweitens steht ein Bühnenprojekt mit dem Titel "Die Reise" am September-Spielplan.
"Es werden 30 Migrantinnen und Migranten in einem aufwändigen Castingverfahren gesucht, die auf der Bühne stehen, und gemeinsam mit Ute Bock ihre Geschichten erzählen", so der Direktor. "Es ist ein Risiko, ob unser Publikum das auch annimmt - ob es reif dafür ist - aber es ist wichtig, dass wir in einem goldenen großen Haus, das mitten in Wien steht, uns damit beschäftigen."
Nebenspielstätten
Die Programme an den Nebenspielstätten wie Rote Bar und Hundsturm werden in gleicher Intensität mit viel Literatur, Musik und politischen Diskussionen fortgesetzt.