Mario Draghi wird nächster EZB-Chef

Ein Italiener als Währungshüter

Die Finanzminister der Euro-Länder haben sich geeinigt: Der Italiener Mario Draghi soll neuer Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Von Menschen, die ihn kennen, bekommt er Vorschusslorbeeren. Allerdings hat Draghi einen dunklen Fleck in der Biografie: einen Karriereabschnitt bei Goldman Sachs.

Mittagsjournal, 17.05.2011

Verfechter von Tradition und Moral

Am 3. September 1947 wird Mario Draghi in Rom geboren. Seine beiden Eltern verliert er schon als Jugendlicher. Auch sonst hat er wohl eher eine harte Jugend - dafür aber eine elitäre Ausbildung. In Rom besucht er das Istituo Massimo, eine von Jesuiten geführte Privatschule. In einem späteren Interview beschreibt er diese Zeit als prägend: "Die Ausbildung war eine hervorragende. Denn wir haben nicht nur religiöse Botschaften mit auf den Weg bekommen, sondern auch kulturelle Werte, Traditionen, und besonders wichtig - moralische Botschaften."

"Unitalienischer" Denker

Danach absolviert Draghi ein Studium an der La Sapienza Universität in Rom. Die Promotion schafft er dann an der US-Elite-Universität MIT. Zehn Jahre lang ist er dann Professor an der Universität Florenz, bevor er wieder in die USA zurückkehrt - an die Uni nach Harvard. Ein Kollege hat ihn einmal als sehr "unitalienisch", weil strukturiert denkend, bezeichnet. Diese Eigenschaft hat ihm sicher auch geholfen seinen Job bei der Investment Bank Goldman Sachs zu erledigen, wo er zwischen 2001 und 2005 tätig war.

Schwarzer Fleck in Biografie

Wie weit er die Ethik, die er von den Jesuiten, wie er es beschrieben hat, auf den Lebensweg mitbekommen hat, dort leben konnte, bleibt die Frage. Denn Goldman Sachs gilt als schwarzer Fleck in seiner Biographie. Goldman Sachs ist ja jene Investmentbank, die Griechenland gegen gutes Geld geholfen hat, seine Bilanzen zu frisieren, um dem Euro-Raum beitreten zu können. Damit habe er nie etwas zu tun gehabt, beteuert Draghi allerdings immer wieder.

Aussagen schwer einzuschätzen

Eine für Notenbanker unabdingbare Eigenschaft beherrscht er jedenfalls exzellent: das Vermeiden von klaren Aussagen. Und so kann er geldpolitisch schwer festgemacht werden, ob er eher für lockere oder strenge Geldpolitik eintritt - oder wie sich die EZB in der Zins- und damit Inflationsfrage verhalten soll. Eine typische Antwort hierbei einem Vortrag vor Studenten: "Die Geldpolitik kann nicht alle Probleme lösen. Die Wirtschaft unterstützen und die Inflation im Griff halten - man muss beides im Blick haben", so Draghi weiter. Aber der Euro sei ein Erfolg. Angesichts der Krise müsse sich aber etwas ändern: "Es besteht kein Zweifel, dass die Regeln der Zusammenarbeit der Währungsunion wie auch der Wirtschaftsgemeinschaft ändern müssen. Und zwar bevor neue Länder der Währungsunion beitreten."

Chef des Finanzstabilitätsrats

Fachlich gilt Draghi jedenfalls als unbestritten. Als Chef des Finanzstabilitätsrats ist er bis jetzt der Architekt eines zukünftigen, stabileren Weltfinanzsystems. Das Wissen, das er sich dort erworben hat, kann er als EZB-Chef gut gebrauchen.

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Banca d'Italia Lebenslauf von Mario Draghi