Experten: Politik könnte Krise lösen

WEF: Übertriebene Angst um den Euro

Die Sorge um den Euro sei übertrieben, betonen Wirtschaftswissenschaftler und Banker beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Wien. Sie sind der Meinung, dass die Schuldenkrise mit einem Schlag überwunden werden könne, und das sogar ohne gröbere Verluste. Wirtschaftlich sei das machbar, nur müsse das auch so der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.

Mittagsjournal, 09.06.2011

Nicht eine - vier Krisen

Die Europäische Union befinde sich in einer Krise, das sei klar, und das seit zwei Jahren, sagt der niederländische Wirtschaftswissenschafter Victor Halberstadt von der Universität Leiden in den Niederlanden. Dennoch habe man noch keine langfristige Lösung gefunden: "Wir haben es mit vier Krisen zu tun, die nicht einfach von heute auf morgen gelöst werden können. Wir haben eine Solvenzkrise - einige Mitglieder der Eurozone sind insolvent. Zweitens haben wir eine Bankenkrise. Und wir haben ein Problem mit unserer Wettbewerbsfähigkeit, das betrifft vor allem vor allem südliche Länder. Und viertens, und das ist vielleicht die schwierigste Krise, haben wir ein Problem mit der politischen Legitimität des Systems. Es ist aber offensichtlich, dass diese Probleme zusammenhängen und nicht unabhängig gelöst werden können."

Rausschmiss undenkbar

Dazu müsse aber effektiv zusammen gearbeitet werden, sagt der italienische Investmentbanker Davide Serra. Länder wie Deutschland, die sich besonders vehement dagegen ausgesprochen haben, zumindest Teile der Schulden Griechenlands aufzukaufen, würden wirtschaftlich irrational handeln. Denn Deutschland sei der größte Kreditgeber für Irland, Portugal und vor allem Griechenland, sagt Serra: "Wenn sie nicht helfen, die Lösung zu finanzieren, verlieren sie mehr Geld. Es gibt also zwei Möglichkeiten: entweder sie zahlen und bekommen ihr Geld zurück, oder sie zahlen nicht und verlieren sogar noch mehr. Ich denke, dass Merkel, Sarkozy und alle anderen Regierungschefs das so ihren Wählern sagen müssen: Schaut her, wir handeln im Sinne eines großen gemeinsamen Projektes. Wir sind alle miteinander in einem Bett. Es ist nicht mehr möglich zu sagen: Ihr benimmt euch schlecht, wir schmeißen euch raus."

"Politiker sind das Problem"

Dabei sei ein Ausweg aus dieser Krise sehr wohl möglich, sagt der Investmentbanker Davide Serra. Die EU sei sehr wohl in der Lage, die Schulden aufzukaufen: "Wir müssen die Schulden um 300 bis 400 Milliarden Euro reduzieren. Das sind vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts und nur 0.7 Prozent des gesamten europäischen Vermögens." Ein großes Problem seien die Politiker, klagt der italienische Investmentbanker. Sie würden sich aus Angst, Wählerstimmen an populistische Parteien zu verlieren, gegen wirtschaftlich sinnvolle Strategien stellen, die ihrem Land langfristig gesehen nur schaden würden, sagt Serra.

"Wenn die Wähler in Europa gefragt werden würden: Wäret ihr damit einverstanden, auf drei Prozent eures Jahreseinkommens zu verzichten, weniger als 0.5 Prozent eures Vermögens, und wir zahlen die Schulden, wir machen neue Geschäfte, wir investieren und ihr behaltet
dafür euren Job. Ich denke die Mehrheit würde ja sagen. Aber so wird es leider nicht präsentiert. In Wahrheit hat jedes Land enorm wirtschaftlich von der Europäische Union profitiert."

"Union ist großer Erfolg"

Man werde Verluste in Kauf nehmen müssen. Aber zu einer Zahlungsunfähigkeit werde es nicht kommen, darin sind sich die Ökonomen einig. Denn die Europäische Union sei seit ihrem Beginn eine friedenstiftende Erfolgsgeschichte, sagt der niederländische Wirtschaftsprofessor Viktor Halberstadt von der Universität Leiden in den Niederlanden: "Ich denke, es ist immer noch verdammt viel besser, innerhalb der EU zu sein als außerhalb. Ich habe noch nie jemanden von außerhalb sagen gehört, er wünschte sich, draußen zu bleiben. Ich bin überzeugt davon, dass die EU ein sehr, sehr großer Erfolg ist."