Proteste nehmen zu

Athen: Premier mit Rücken zur Wand

Griechenlands Ministerpräsident Papandreou strebt nach seiner geplanten Kabinettsumbildung eine rasche Vertrauensabstimmung im Parlament an. Er spürt mittlerweile aber auch verstärkten Widerstand aus den eigenen Reihen gegen seine Sparpolitik. Und auch die massiven Proteste haben wieder gezeigt, dass die Griechen die harten Sparpläne nicht hinnehmen wollen.

Mittagsjournal, 16.06.2011

Situation immer dramatischer

Beinah schon stündlich wird die Situation in Griechenland dramatischer. Während die anderen EU-Mitglieder intensiv um ein weiteres Rettungspaket ringen, steht die griechische Regierung buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Die massiven Proteste gestern haben wieder gezeigt, dass die Griechen die harten Sparpläne nicht hinnehmen wollen. Regierungschef Papandreou will heute sein Kabinett umbilden, weil er auch innerhalb der Regierung Vertrauen verloren hat.

Regierungsmannschaft auswechseln

Es ist ein Tag des Abwartens in Griechenland - wie wird die neue Regierung nun aussehen - das ist die große Frage. Der sozialistische Ministerpräsident Giorgios Papandreou hat klar gemacht, dass eine Regierung der Nationalen Einheit gemeinsam mit der konservativen Opposition nicht stattfinden wird: "Die Konservativen haben Forderungen gestellt, die wir nicht erfüllen können, nämlich Neuverhandlungen was das Sparprogramm der Regierung betrifft". Also wird Papandreou innerhalb seiner Partei wohl umschichten.

Erneuerung verlangt

Es muss aber eine wirkliche Erneuerung sein, sagt der griechische Journalist Costas Tsuparopulos. Die bisherige Regierung hatte keinerlei Visionen und es braucht Visionen, um ein solches Sparprogramm durchzuziehen. Die Menschen erwarten nun also eine Regierung, die effizienter agiert, um unsere Probleme auch wirklich zu lösen.

Finanzminister muss gehen

Welche Politiker ausgetauscht werden, darüber wird derzeit spekuliert. Ziemlich wahrscheinlich sei, dass Finanzminister Papaconstantinou abgelöst wird. Er wird von der Mehrheit der Griechen dafür verantwortlich gemacht, dass trotz Sparprogramm, letztlich nichts erreicht wurde: "Die griechischen Arbeitnehmer und Pensionisten müssen seit einem Jahr schwerwiegende Einschnitte hinnehmen und dann stellt sich die Regierung hin und sagt, das habe alles nichts gebracht. Die Arbeitnehmer müssen weiter sparen. Doch jetzt müssen endlich auch mal die Reichen in Griechenland zu Kasse gebeten werden".

Letzte Chance

"Die Mehrheit der Griechen hat verstanden, dass wir sparen müssen, dass wir diese Krise durchstehen müssen, aber die Regierung hat bisher nicht gezeigt, dass all die Opfer auch etwas bringen. Und das könnte vielleicht mit einer neuen Regierung passieren", meint Costas Tsuparopulos.

Ministerpräsident Papandreou setzt darauf, mit einer neuen Regierung ein Signal der Erneuerung zu setzen, zu zeigen, dass ein Neuanfang, ein grundsätzlicher Neuanfang möglich ist.

Ob ihm das auch gelingen wird, da ist selbst Costas Tsuparopulos skeptisch. Es ist wohl unsere letzte Chance, meint er.

Abstimmung am Sonntag

Bis zum Abend will der griechische Ministerpräsident Papandreou seine neue Regierungsmannschaft vorstellen. Am kommenden Sonntag wird dann das Parlament in Athen über die neue Regierung abstimmen.

Volk ist wütend

Die Großverdiener haben es sich gerichtet und Steuern nicht gezahlt - darüber ist das Volk wütend. Wer hat aller an der Steuer vorbei sein Leben finanziert? Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Athen ist Bruno Freytag. Er hat die Hauptstadt Griechenlands für ein paar Tage verlassen und befindet sich in Kreta. Er sagt, vor allem die jungen Menschen sind wütend auf die Politiker, die ihnen das alles eingebrockt haben. Die Krise trägt allerdings auch dazu bei, dass seit 30 Jahren überfällige Reformen jetzt angegangen werden müssen.

Mittagsjournal, 16.06.2011

Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Athen, Bruno Freytag im Gespräch mit