Stardesigner sorgt für neue Möblierung
Polen räumt EU-Ratsgebäude aus
Wenn am 1. Juli 2011 Polen den Ratsvorsitz des Ministerrates der Europäischen Union übernimmt, wird sich im EU-Rat in Brüssel einiges ändern - zumindest was das Aussehen der Innenräume des Hauptgebäudes betrifft. Das nach einem Rechtsphilosophen benannte Justus-Lipsius-Gebäude erhält eine neue Möblierung. Zusammengestellt wurde diese von einem jungen polnischen Industriedesigner, der als Star der neuen Design-Szene in Polen gilt.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 22.06.2011
Designer Tomek Rygalik ist 35 Jahre alt, hat lange in New York und London gearbeitet und betreibt nun in Warschau sein eigenes Büro.
Buchenholz und Schafwolle
Für den polnischen EU-Rats-Vorsitz hat Tomek Rygalik Arrangements aus Designmöbelstücken zusammengestellt, die Innovation und Tradition verbinden und sich in der Materialwahl auf Polen beziehen: Buchenholz und Schafwolle aus dem Tatra-Gebirge etwa, verarbeitet in neu entwickelten Produktionsweisen. Verwendet werden die eigens entworfenen Sessel, Leuchten und Tische in Brüssel, aber auch in Konferenzräumen und Büros in Polen selbst.
Sie mögen sich zwar ein wenig von herkömmlichen Büromöbeln unterscheiden, doch viel Raum für Experimente hatte Rygalik bei diesem Auftrag nicht. Seinen Forschungsdrang lebt er bei anderen Entwürfen aus. Zum Beispiel bei einem Lehnstuhl, der ausschließlich aus versteiftem Leder besteht und ohne eine Stützstruktur auskommt.
Experimente führten zu marktfähigen Lösungen
Für den Sessel mit dem Namen "Raw" machte sich Rygalik Eigenschaften von Rohleder zunutze, die er bei Materialversuchen ausprobierte. Später wurde der Entwurf von einer italienischen Möbelfirma ins Sortiment aufgenommen.
Diese Vorgehensweise, also dass nicht zielgerichtete Experimente zu marktfähigen Lösungen führen, kennzeichne seine Arbeit, sagt Rygalik.
Auch nicht-kommerzielle Projekte
Als Industriedesigner, so Rygaliks Selbstverständnis, will er industriell herstellbare Produkte entwickeln. Obwohl seine Designs - von Sitzmöbeln über Pavillongestaltungen zu Badezimmern - von führenden Firmen nachgefragt werden, behält Rygalik sich und seinem Studio vor, auch an nicht-kommerziellen Projekten zu arbeiten, etwa an Ausstellungen, Festivals oder Raumlösungen für Kulturinstitutionen.
Das Büro von Rygalik im Erdgeschoß eines Wohnhochhauses in Warschau ist einfach und unprätentiös eingerichtet. Stylische Räume zum Empfangen von Klienten gibt es nicht. Die Arbeitsstimmung ist entspannt: Eine junge Frau bastelt konzentriert an einem Leuchtobjekt, zwei junge Männer arbeiten gemeinsam an einem großen Bildschirm. Weniger als Chef, denn als großer Bruder wirkt Rygalik im Kreis seiner jungen Mitarbeiter.
New York - London - Warschau
1976 in Lodz geboren, studierte er dort Architektur und lebte dann mehrere Jahre in New York. Die Karriere als Designkonsulent gab er auf, um wieder zu studieren. Am Royal College of Art in London absolvierte Rygalik die Ausbildung als Industriedesigner. Zurück nach Polen verlagerte Rygalik seinen Wohnsitz vor allem deshalb, weil er von der Kunstakademie Warschau eingeladen wurde, einen Studiengang neu mit aufzubauen.
Mit den Händen zu denken, also direkt mit Materialien zu arbeiten, statt Entwürfe am Computerbildschirm zu konstruieren - das hat Tomek Rygalik am Royal College of Art, dem RCA, in London gelernt.
Abkehr vom verschulten Design-Unterricht
An der Kunstakademie in Warschau hat Thomas Rygalik eine Abkehr vom verschulten Design-Unterricht durchgesetzt. Die Ausbildungslage für angehende Designer beschreibt er - anders als andere Kollegen vom Fach, die internationale Erfahrungen haben - als sehr gut, zumindest was die theoretische Grundbildung betrifft. Das Engagement der Studierenden sei jedoch oft zu gering, um einen kreativen Schub auszulösen.
In Zukunft werden sich junge Designer in Polen viel stärker mit Produzenten und Handwerkern zusammentun, prognostiziert Rygalik, denn ein Vorzug des Standortes Polen ist, dass viele Produktionsstätten hier angesiedelt sind, sowohl kleine Handwerksbetriebe, als auch Möbelfabriken. Dass die Fertigung nicht ins Ausland ausgelagert werden muss, ist ein bisher noch zu wenig genutztes Potential.
Sparsamer Umgang mit Materialien
Ein weiterer Charakterzug der polnischen Design-Szene ist, laut Rygalik, der bewusste und sparsame Umgang mit Materialien. Im Kommunismus habe man gelernt, aus wenig viel zu machen.
Der Einfallsreichtum beim Finden ungewöhnlicher Lösungen ist typisch für polnisches Design der Gegenwart und kennzeichnet auch die Projekte des preisgekrönten Industriedesigners Rygalik.
Offensichtlich wird das vor allem bei frühen Projekten, wie etwa einer Sitzgruppe für den Außenraum, die nach Bedarf erweitert werden kann: Spanplatten werden durch Türscharniere in verschiedenen Winkeln verbunden und ergeben so skulpturale Landschaften. Diese Verspieltheit geht in kommerziellen Projekten natürlich unter, aber das ist Tomek Rygalik nicht vorzuwerfen, versteht er sich doch als Designer für die Industrie und nicht für die Schublade.
Service
Die Design-Szene Polens wird ein Schwerpunkt der diesjährigen Vienna Design Week, die im Herbst in Wien stattfindet.
Studio Rygalik
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