Ö1 Interview mit griechischem Meinungsforscher
"Griechen mit jedem Tag frustrierter"
Für frisches Geld aus Brüssel muss das griechische Parlament einem neuen Sparpaket zustimmen. Doch wie weit ist die griechische Bevölkerung überhaupt bereit neue Belastungen auf sich zu nehmen? Das griechische Meinungsforschungsinstitut MRB Hellas hat eine große Studie über die Stimmung unter den Griechen veröffentlicht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24.06.2011
Mit jedem Tag wütender und frustrierter
Der Eindruck von außen stimmt, sagt der Meinungsforscher Dimitris Mavros: "Die Griechen werden mit jedem Tag wütender und frustrierter."
Laut der aktuellen Umfrage haben die Menschen das Gefühl, dass sie schon auf sehr viel verzichtet haben aber, dass all die Opfer nichts gebracht haben.
Nur 20 Prozent bereit persönliche Opfer zu bringen
Wie schon vor einem Jahr werden die Griechen jetzt wieder zu neuen Sparmaßnahmen gezwungen.
Vergangenes Jahr waren noch 56 Prozent der Griechen bereit persönliche Opfer zu bringen, um dem Sparprogramm zu Erfolg zu verhelfen. Jetzt sind es nur noch 20 Prozent.
Griechen zweifeln an Rezept der Regierung
Die Bevölkerung verstehe zwar die Notwendigkeit die griechische Gesellschaft und Wirtschaft zu reformieren, so Dimitris Mavros, aber sie stelle das Rezept für den Weg aus der Schuldenkrise in Frage.
Dafür, dass das erste Sparprogramm von vergangenem Jahr nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, machen die Griechen zu gleichen Teilen die EU und die eigene Regierung verantwortlich, so der Meinungsforscher.
"Politiker sollen auch in Angst leben"
"Ich möchte, dass die Politiker genauso in Angst leben müssen, wie ich selbst." Das ist ein Satz, den man unter den Demonstranten in Athen, von denen viele ihren Job verloren haben, oft hört.
Es herrscht ein tiefer Pessimismus unter den Griechen. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass Griechenland ohnehin bankrottgehen wird.
Politiker verhandeln nicht hart genug
Die Griechen sind der Meinung, dass ihre Politiker nicht hart genug verhandeln.
Nachdem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der US-Präsident Barack Obama verkündet haben, dass Griechenland auf jeden Fall gerettet werden muss, versteht die griechische Bevölkerung nicht, wieso sie für ein neues Sparpaket stimmen soll.
Das "Nein" zu einem neuen Paket hätten die griechischen Politiker durchsetzen müssen.
Im Herbst steigt Druck auf Politiker
Der griechische Meinungsforscher glaubt, dass über die Sommer- und Urlaubszeit relative Ruhe einkehren werde. Der kommende Oktober sei der entscheidende Monat. Mavros geht davon aus, dass die Lage für einige Zeit stabil bleibt, wenn es gelingt Neuwahlen zu vermeiden.
Kommt es zu Wahlen, gibt es als Ergebnis keine starke Regierung mehr, glaubt Mavros. Auch die Opposition könne aus der Wut der Bevölkerung keinen Profit schlagen, denn die Griechen haben das Vertrauen in alle Politiker verloren, so der griechische Meinungsforscher.