US-Journalist analysiert Einigung im Schuldenstreit
"Der Schaden ist bereits angerichtet"
Über mangelnde Führungsqualitäten Obamas, wütende Wähler, und das Potential eines neuen, parteiunabhängigen Präsidentschaftskandidaten. Frederick Kempel, Präsident der Washingtoner Denkfabrik "Atlantic Council" zieht im Ö1 Interview Bilanz über die wochenlange Schuldendebatte in den USA.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 2.8.2011
Barbara Ladinser
"Verbündete schockiert über Amerikas Politiker"
Der Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern hat die Staatspleite der weltgrößten Volkswirtschaft noch in letzter Minute verhindert. Bei Frederick Kempel, Präsident der Denkfabrik "Atlantic Council" und ehemaliger Vize-Chefredakteur des "Wall Street Journal" macht sich trotzdem keine Erleichterung breit. Im Gegenteil: "Der Schaden ist bereits angerichtet", so Kempel.
Nicht nur Amerikas außenpolitische Verbündete seien "schockiert über die Politiker in Washington", sagt Kempel. Auch die Wähler aus dem demokratischen und republikanischen Reihen seien wütend über ihre Parteien, die sich erst nach zähem Ringen und erbitterten Streitereien auf einen Kompromiss einigen konnten.
"Rechtsruck könnte Obama nutzen"
Für den 57-jährigen Kenner der Washingtoner Politik ist aber "klar, dass die Republikaner gewonnen haben". Immerhin werde es nun, wie ursprünglich von den Demokraten gefordert, keine Steuererhöhungen geben – und das sei ein Sieg der konservativen Partei.
In gewisser Weise habe aber auch Präsident Barack Obama gewonnen, glaubt Kempel. Zwar habe er sich den Ärger der Demokraten - also seiner eigenen Partei - auf sich gezogen, da er in ihren Augen bei dem Kompromiss zu sehr nachgegeben habe. Dieser „Ruck nach Rechts“ könne Obama im kommenden Präsidentschaftswahlkampf aber auch zum Vorteil gereichen, da es ihn für die moderaten Wähler der Mitte attraktiver macht, so Kempel.
"Wähler haben die Nase voll"
Dennoch attestiert Kempel Obama mangelnde Führungsqualitäten. Kempel: "In einer Demokratie muss der Präsident führen und die Abgeordneten müssen Kompromissen eingehen. Es braucht jemanden, der die Fähigkeiten besitzt, beide Seiten zusammenzubringen." Weil Obama daran gescheitert sei und laut Kempel die Wähler "die Nase voll haben von Politikern, die zu stark polarisieren", glaubt er, dass ein parteiunabhängiger Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf 2012 "große Chancen" auf einen Sieg hätte.
"Gute Chancen für parteilosen Kandidaten"
Immerhin handle es sich bei den "Parteiunabhängigen" mit 40 Prozent um die stärkste Wählergruppe. Die amerikanischen Wähler hätten die Streitereien satt und würden sich eine Situation wünschen, wo Politiker zusammenarbeiten, Kompromisse eingehen und in die Zukunft schauen, analysiert Kempel die Stimmungslage in seinem Heimatland. Wenn es diesen dritten Kandidaten nicht gebe und Obama noch einmal antreten würde, würde er auch gewinnen, glaubt Kempel. Denn: "Die Republikaner haben einfach keine guten Kandidaten."