Yachtbesitzer ohne Einkommen
Volkssport Steuerhinterziehung
Italien hat ein riesiges Schuldenproblem - ob das Sparpaket, das die Regierung Berlusconi an Gewerkschaften und Sozialpartnern vorbei durchgepeitscht hat, das Land aus der Sackgasse führt, hängt auch davon ab, ob die Bereitschaft, Steuern zu zahlen steigt. Derzeit ist die Motivation gering.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal 09.09.2011
Konsumieren ohne Rechnung
Wer auch nur wenige Tage in Italien verbringt – macht sich fast zwangsläufig strafbar. Und zwar als Beitragstäter zur Steuerhinterziehung. Denn in einer Bar, in der man als Stammgast gilt, also nach etwa drei Besuchen, wird gerne darauf vergessen, den kassierten Betrag in die Kasse zu tippen und dem Kunden den Beleg auszuhändigen. Und wer keinen Beleg verlangt, der macht sich auch als Kunde strafbar.
Steuerhinterziehung als Volkssport
Diese skurril anmutende Vorschrift hat, auch wenn sie nicht eingehalten wird, grundsätzlich ihre Berechtigung. Denn Steuerhinterziehung ist hier in Italien Volkssport. Natürlich sind die Beträge in der Bar oder im Cafe nur gering – aber in Summe kommt da ganz schön was zusammen, sagt Enrico Panini, Sekretär bei der Gewerkschaft CGIL, die für härteres Vorgehen gegen Steuerbetrug eintritt: "In Italien gibt es Steuerbetrug im Ausmaß von 130 Milliarden Euro pro Jahr. Wir sprechen hier vom dreifachen dessen was das Sparpaket einbringen soll."
Selbständige mit niedrigen Einkommen
Wobei die Gewerkschaft hier wohl eher auf die großen Steuerhinterzieher abzielt. Wenn man allerdings nach den Einkommenssteuererklärungen der Selbstständigen in diesem Land geht, dann herrscht offenbar Armut. Nur rund 72.000 von Ihnen verdienen laut Steuererklärung mehr als 100.000 Euro pro Jahr. Da sind Großgrund- und Zinshausbesitzer genauso dabei wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Besitzer von Autowerkstätten.
Yachtbesitzer ohne Einkommen
Besonders schlimm dürfte die Situation von Yachtbesitzern in Italien sein. Eine aktuelle Untersuchung der Vereinigung italienischer Steuerzahler hat ergeben, dass 64 Prozent aller Jachten in Italien von Menschen besessen werden, die offenbar überhaupt kein Einkommen haben. Zumindest laut Steuererklärung.
Bilanzfälschung nicht strafbar
Doch warum geht das offenbar alles problemlos durch? Die Finanzpolizei sei chronisch unterbesetzt lautet die Kritik – und in den vergangenen Jahren sei ein Viertel der Posten gestrichen worden. Außerdem habe gerade Silvio Berlusconi nicht gerade Feuereifer an den Tag gelegt das Problem in den Griff zu bekommen sagt die Opposition – mit Hinweis darauf, dass ja nicht einmal Bilanzfälschung strafbar sei. Das entsprechende Gesetz wurde abgeschafft weil der Ministerpräsident damit einige Mal persönliche Probleme hatte.
Steuerbetrug ist Massenphänomen
Aber wie schon erwähnt – Steuerhinterziehung ist ein Massenphänomen. Auch lokale Steuern würden oft nicht bezahlt, bemängelt die Vereinigung der Steuerzahler. Und die Gemeinden würden diese auch nicht mit Nachdruck eintreiben – um sich bei den Wählern nicht unbeliebt zu machen.
Künftig Haftstrafen
Durch das neue Sparpaket soll sich daran jetzt etwas ändern. In Zukunft soll es auch Haftstrafen bei Steuerhinterziehung geben. Jetzt muss sich nur noch wer finden, der sich beim extrem komplizierten Steuersystem in Italien auch auskennt. Goldene Zeiten für Steuerberater.