100 Millionen Euro für Kampagnen

"Medienfreiheit in Gefahr"

Juristen warnen, dass Politiker mithilfe von Regierungsinseraten die Medienfreiheit untergraben - einen Grundpfeiler der Demokratie. Auslöser der Debatte war die Inseratenvergaben von ÖBB und ASFINAG. Der Staat und staatsnahe Unternehmen dürften an die 100 Millionen Euro pro Jahr für Inserate und Kampagnen ausgeben.

Mittagsjournal, 27.09.2011

Funk: Beeinflusste Berichte

Das Vergeben von Regierungsinseraten, meint etwa der Verfassungsjurist Bernd Christian Funk von der Uni Wien, sei ein grundsätzliches Problem für die Medienfreiheit in Österreich: "Solche Werbeaufträge von der Regierung haben natürlich Einfluss auf die Medienberichterstattung. Sie sind geeignet mediales Verhalten zugunsten von Regierungsstellen zu beeinflussen."

Mayer: Parteiwerbung als Information getarnt

Auch der Verfassungsjurist Heinz Mayer sagt: Die Medienfreiheit sei bedroht, wenn Parteiwerbung unter dem Anschein von Information getrieben werde. Mayer: "Wenn ein Minister Inserate schaltet, die in Wirklichkeit Werbung für ihn oder seine Partei sind, dann sehe ich das schon als eine Gefahr."

"Sünde gegen Meinungsfreiheit"

Der auf Medien spezialisierte Verfassungsjurist Walter Berka von der Uni Salzburg sagt grundsätzlich zu Regierungsinseraten: "Es ist keine Geheimnis, dass in Österreich Praktiken üblich geworden sind, die Inserate mit Berichterstattung zu koppeln. Das ist eine Sünde gegenüber der Meinungsfreiheit oder auch ein Verrat an der den Medien zugeschriebenen öffentlichen Aufgabe."

Geld der Steuerzahler verschwendet

Es gehe schließlich um das Geld der Steuerzahler: "Wenn die Regierung Inserate schaltet, die die Grenze zur Propaganda überschreiten, dann widerspricht das auch den verfassungsmäßigen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Gelder."

Medien öffentliche Kontrollorgane

Der Strafrechtsjurist Wolfgang Brandstetter sieht dabei die Kontrollfunktion der Medien in Gefahr: "Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und auch die österreichischen Gerichte haben den Medien vergleichsweise große Freiheiten zuerkannt, weil die Medien eine wichtige Funktion als öffentliche Kontrollorgane ausüben. Alle Medien haben diese öffentliche Verantwortung als Wachorgan und dieser Verantwortung müssen sie auch gerecht werden."

Beirat ändert nicht Grundproblem

"Dass nun die Regierung einen eigenen Beirat ankündigt, der auf sachlichere Inserate achten soll, könne ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein", sagt Brandstetter.

Walter Berka und Heinz Mayer sehen das ähnlich, die Unabhängigkeit und Sachkunde der Mitglieder so eines Beirats vorausgesetzt. Bernd Cristian Funk dagegen sagt: Ein Beirat habe nur beratende Funktion und ändere nichts am grundsätzlichen Problem.

Spielregeln legitimieren Praxis

Er ist auch skeptisch gegenüber dem angekündigten Medientransparenzgesetz, bei dem zumindest im Nachhinein ausgewiesen werden soll, wohin Steuergeld für Inserate geflossen ist: "Damit werden Spielregeln für solche Werbeaufträge geschaffen. Spielregeln bedeuten im Endeffekt eine Legitimation für dieses Geschehen."

Über den Bedarf an Regeln für Regierungsinserate sind die Fachleute unterschiedlicher Meinung. Einige verlangen ein gänzliches Verbot, andere eine Selbstverpflichtung der Medien.

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