Politologen raten zu Mäßigung

Koalitionsklima mit Schieflage

Die inhaltlichen Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP nehmen zu - jetzt geht es auch noch um Skandalvorwürfe gegen den Bundeskanzler, bei denen die ÖVP nicht locker lässt. Das Bild, das die Regierung damit vermittelt, sei desaströs und müsse schleunigst korrigiert werden, sagen Politologen und Politikberater.

Mittagsjournal, 26.09.2011

Plasser: Kritik schon übergroß

Kanzler und Vizekanzler sind nach einer Auszeit anlässlich der UNO-Generalversammlung in New York wieder im Land. Die Debatte um fragwürdige Inserate der Staatsfirmen ÖBB und ASFINAG, die Kanzler Faymann als Verkehrsminister zu verantworten hatte, ist freilich weitergegangen und hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Da könne die Regierungsspitze nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagt der Politikwissenschafter Fritz Plasser von der Universität Innsbruck. Die Kritik in der öffentlichen Stimmungslage sei dafür zu groß.

Wieder miteinander reden

Faymann und Spindelegger müssten sich daher dringend zusammensetzen. Es gehe nicht um einen Neuanfang, das könne niemand hören, aber es müsste ein Modus gefunden werden, Österreich noch die verbleibenden zwei Jahre zu regieren, etwa ein pro-aktiver Modus über einen baldigen U-Ausschuss, so Fritz Plasser. Der Untersuchungsausschuss müsste aber ein wirklicher Arbeitsausschuss mit dem Ziel sein, die Vorwürfe in Zusammenhang mit den Regierungsinseraten aufzuklären und eine Lösung für die Zukunft zu finden. Sonst würde das für beide Regierungsparteien fatal enden, meint Plasser. Die spürbar steigende Gereiztheit sei nicht gut.

Filzmaier: Umdenken dringend nötig

Auch der Politologe Peter Filzmaier warnt SPÖ und ÖVP davor, die Situation zu unterschätzen: es herrsche der Glaube, wenn man der anderen Partei schade, dann nütze einem das selbst. Das sei gut gegangen als die Parteien bei 35 Prozent lagen, aber nicht heute, wo sie unter 30 Prozent rangieren.

FPÖ lachender Dritter

Der lachende Dritte wären natürlich die Freiheitlichen, die in den Umfragen besser denn je liegen. Aus diesem Grund rechnet auch keiner der Experten damit, dass vorgezogene Neuwahlen von einer der Koalitionsparteien als Ausweg gesehen werden könnten. Der Politikberater Thomas Hofer meint ebenfalls, dass sich die Regierungsspitze aussprechen müsste. Denn SPÖ und ÖVP lägen nicht mehr nur inhaltlich bei wichtigen Fragen wie Steuern, Wehrpflicht und Bildung weit auseinander, so Hofer. Jetzt gehe es darum dem Koalitionspartner zu schaden, das lasse sich nur bei internen klärenden Gesprächen noch lösen.

Denn entscheidend für die Beurteilung der Koalitionsarbeit sei nicht, wie SPÖ oder ÖVP aus diesem und jenem Streit aussteigen, sondern was die Koalition vorzuweisen hat. Und das sei derzeit einfach zu wenig.